Hückeswagen Ärzte verärgert über Bereitschaftsreform

Hückeswagen · Die bisherigen Bezirke im Oberbergischen Kreis wurden zusammengelegt, weswegen die Mediziner künftig längere Strecken zum Patienten auf sich nehmen müssen. Auch Hückeswagen ist davon betroffen. Es gab bereits eine erste Konsequenz.

Die Nachricht schlug unter Medizinern ein wie eine Bombe: Die Notfallbereitschaften von Ärzten im Oberbergischen Kreis werden in drei Bezirke zusammengefasst. Bislang war die Region in kleinere Gebiete aufgeteilt. Ab 1. Januar besteht der Norden aus Radevormwald, Hückeswagen, Wipperfürth und Lindlar, zur Mitte gehören Marienheide, Gummersbach, Engelskirchen, Bergneustadt und Reichshof nördlich der A 4, und der südliche Teil von Reichshof, Wiehl, Nümbrecht, Waldbröl und Morsbach bilden den Südbezirk.

Für große Verärgerung sorgt die Verteilung der Dienste: In Oberberg Mitte teilen sich 158 Ärzte den Bereitschaftsdienst, im Norden und Süden nur jeweils 104 - dadurch müssen die Mediziner in diesen Bereichen rund ein Drittel mehr Dienste übernehmen. "Das ist sehr ungerecht", stellt Hückeswagens Ärzte-Sprecher Helmut Beckert klar.

In jedem der Bezirke sind in Zukunft zwei Ärzte tätig: Einer arbeitet in der Notdienstpraxis, der andere hat Fahrdienst und macht Hausbesuche bei Patienten. Schwere Verletzungen wie Knochenbrüche werden in den Ambulanzen der Krankenhäuser behandelt. Die Hausärzte beginnen ihren Notdienst, wenn die Praxen geschlossen sind: Mittwoch- und Freitagnachmittag, abends, nachts und am Wochenende.

"Die Neuregelung ist für uns zutiefst unbefriedigend", betont Beckert. "Unsere Situation wird dadurch enorm verschlechtert." Mediziner in Wipperfürth und Lindlar übernahmen bislang 15 Dienste pro Jahr, in Radevormwald und Hückeswagen zehn. Ab 2018 muss jeder Arzt acht bis neun Dienste übernehmen. "Wir haben dann zwar seltener Dienst, müssen dafür aber mehr Patienten behandeln", sagt er. Das mache die Einsätze anstrengender.

Helmut Beckert hat aus der Dienstreform einen persönlichen Schluss gezogen: Den Rücktritt vom Amt des Obmanns. Auch der Rader Obmann Karsten Fleck sowie der Wipperfürther Notdienstkoordinator Norbert Ziegler gaben ihre Ämtern ab. Beckert: "Es ist keine Freude, im Winter nach der Arbeit noch eine Schnupfensprechstunde zu machen."

Außerdem sind die Strecken im neuen Zuständigkeitsbereich weiter: Die Fahrt etwa von Radevormwald nach Lindlar dauert zirka 45 Minuten. "Das könnte ein Problem werden, denn die Zeit fehlt bei den Patienten", sagt Beckert. Laut einer Datenerhebung des Oberbergischen Hausärzteverbands sind bei einer 24-Stunden-Schicht am Wochenende bis zu 14 Einsätze zu fahren. "Wenn es an einem Tag erheblich mehr sind, wird es schwierig."

Hintergrund der neuen Regelung ist der Hausärztemangel: Jeder fünfte Hausarzt im Kreis ist älter als 60 Jahre, Tendenz steigend. "Bis 2023 erreicht jeder vierte Arzt die Altersgrenze", sagt Beckert. Außerdem ist eine Landflucht von Ärzten in die Großstädte festzustellen. Dort gibt es mehr Ärzte pro Einwohner und damit auch weniger Bereitschaftsdienste für den Einzelnen.

Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Oberberg zahlt dem Arzt pro Patient 78 Euro plus ein Kilometergeld. Aber: "Nach einer 24-Stunden-Schicht muss erstmal Schlaf nachgeholt werden", sagt Beckert. "Da kann die Praxis nicht wie gewohnt öffnen." Die KV sieht die Bereitschaftsreform jedoch als Fortschritt an: "Die Neuerung ist nötig, um konkurrenzfähig zu bleiben und um junge Ärzte ins Bergische zu holen", argumentiert Renate Krug-Peltier, Vorsitzende der KV Oberberg. Eine geringe Anzahl an Diensten sei ein gutes Argument. So könnten sie sich in Oberberg niederlassen und die Nachfolge eines älteren Hausarztes antreten. Die Maßnahme sei eine "innovative und zukunftsorientierte Lösung", sagt die Vorsitzende. Die KV-Zentrale in Düsseldorf und die Ärztekammer haben sie bereits genehmigt.

(mba)
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