Willibert Pauels "Der liebe Gott tut nix als fügen"

Hückeswagen · Im Sommer 2012 war für Willibert Pauels plötzlich Schluss: Nichts ging mehr für den aus dem Karneval bekannten "Bergischen Jung". Gegen die Depression holte er sich psychologische Hilfe. Jetzt hat er sein erstes Buch veröffentlicht.

oberberg Willibert Pauels hat es als "Bergischer Jung" im Karneval bis ganz nach oben geschafft - bevor im Sommer 2012 auf einmal nichts mehr ging und eine Depression ihn anfiel wie ein "schwarzer Hund". Nicht das erste Mal in seinem Leben. Diesmal jedoch holte sich der Wipperfürther professionelle Hilfe - und änderte einiges. Heute ist er wieder Diakon im Hauptberuf und Büttenredner aus Leidenschaft. Über sein erstes Buch dazu sprach Guido Wagner mit dem Dia-Clown.

Sie haben nie einen Hehl daraus gemacht, warum Sie 2012 plötzlich 200 Auftritte für die folgende Session abgesagt haben. Über Ihre Depression haben Sie nach der Rückkehr aus der Klinik auf der Bühne offen gesprochen. Wie passte das zusammen?

Pauels Das alles bin ich. Im Grunde genommen waren meine Büttenreden und Kabarettprogramme immer eine Mischung aus Predigt, Tiefgang und Schenkelklopfer. Aber jetzt natürlich besonders. Ein Buch wollte ich darüber aber eigentlich nie schreiben.

Warum nicht?

Pauels Weil ich's nicht kann. Ich weiß, wie man redet. Ich kann Menschen ein Kotelett an die Backe quatschen. Aber ein Buch? Das musst du können. Ich kann ja auch keinen Tisch schreinern.

Warum haben Sie es dann doch getan?

Pauels Weil nach jedem Auftritt Menschen zu mir kamen und meinten: "Toll, dass Sie das so gesagt haben. Mein Freund oder mein Schwager, die haben das auch." Und dann immer die Frage: "Haben Sie das nicht auf DVD? Oder als Buch?"

Da haben Sie sich dann doch im Schreiben geübt. . .

Pauels Musste ich gar nicht (grinst). Das Gütersloher Verlagshaus hat mich gefragt, ob ich das Buch nicht machen wollte und hatte mit Leo Linder gleich auch einen passenden Autor, der übrigens auch alle Bücher von Notker Wolf, dem Abtprimas der Benediktiner, betreut. Leo Linder ist Düsseldorfer und Protestant. . . (schmunzelt) - aber wir haben sofort gemerkt, dass die Chemie stimmt. Wir sind in ein Kloster gegangen, und ich habe eine Woche lang nur gequatscht. Das mag für andere die Hölle sein, für mich war es fast der Himmel. Und Leo Linder hat dann alles aufgeschrieben, in meinem Sprachduktus. Das war schon ein Glücksfall. Der liebe Gott tut nix als fügen. Ein Drittel des Buches betrifft die Depression, der Rest ist heiter und - hoffentlich - tröstlich.

Im Buch erfährt der Leser, dass Sie nicht erst 2012 Depressionen hatten, sondern auch schon fast 50 Jahre davor.

Pauels Ja, schon als Kind, und schlimm auch Anfang der 1990er-Jahre.

Also vor dem Start im großen Karneval in Köln?

Pauels Ja, da stand ich noch höchstens in Wipperfürth oder in der Umgebung auf der Bühne.

Wie sind Sie damals mit der Krankheit umgegangen?

Pauels So wie die meisten. Ich hab' gesagt: Was von allein kommt, geht auch wieder von allein. Ich habe mich langsam dadurch gekämpft. Mittlerweile habe ich viele Psychiater getroffen, die mir erklärt haben: Der eigentliche Skandal dieser Krankheit ist nicht, dass sie so häufig ist, sondern dass so wenig Betroffene in professionelle Behandlung gehen. Wie wichtig das ist, darüber will ich ein Stück aufklären. Das ist ein Ziel des Buches.

Sie schreiben, dass Sie noch den Rat bekamen, nach Süddeutschland in eine Klinik zu gehen, weil man Sie da nicht so kennt.

Pauels Ja, aber ich wollte nicht weglaufen. Ich wollte in die Klinik nach Neuss.

Die Stadt hat Ihnen in Ihrem Leben schon einmal eine neue Perspektive gegeben. . .

Pauels Ja, damals, als ich durch meinen früheren Kaplan in Wipperfürth, den heutigen Pfarrer von Altenberg, Johannes Börsch, nach Neuss gekommen bin. Er war dort Direktor des kirchlichen kleinen Seminars Collegium Marianum. Damals bin ich als Laientheologe sein Assistent geworden. Er hat mir gesagt: "Willibert, Du gehörst an den Altar." Daraufhin habe ich mich dann dazu entschlossen, die Ausbildung zum Diakon zu machen.

Als Sie 2012 in die Klinik gingen, sagten viele: Siehst du, der Karneval hat ihn kaputtgemacht . . .

Pauels . . .was Unsinn ist. Nicht die Bühne macht die Menschen bekloppt, sondern Bekloppte machen Bühne (grinst).

War es für Sie als bekannter Bühnenmensch eine Chance zu zeigen, dass solche einfachen Erklärungsmuster nicht greifen?

Pauels Sicher war das eine Chance. Aber die habe ich in dem Moment nicht gesehen. Man hat mir damals auch vorgeschlagen, nicht von Depression zu sprechen, sondern von einem Burn-out. Das klingt auch noch so positiv: Der hat sich ausgebrannt für seinen Job. . .

Aber das wollten Sie nicht, anders als Kollegen wie etwa der "Blötschkopp" Marc Metzger. . .

Pauels Nein, ich wusste ja, dass ich eine Depression habe. Ich hatte schon immer depressive Schübe. Das Höllische an der Krankheit ist, dass es die meisten Betroffenen regelrecht lähmt. Die erreicht nix, die sind wie in einem Panzer. Wie ein Tiger, der in seinem Käfig auf und ab läuft. Aber nicht langsam, sondern fahrig, hin- und herirrend. Die Gedanken titschen wie so ein Tischtennisball, und immer kommen neue Bälle dazu.

Das hat sich aber geändert.

Pauels Ja, und ich hoffe, das stabilisiert sich. Ganz werde ich niemals meine Struktur ändern können. Da sind gute Gaben: die der Erzählkraft, der Empathie, die Gabe des Humors, der Gutmütigkeit, aber es gibt da auch giftige Anlagen. Dazu gehören bei mir die Angst und mangelndes Selbstwertgefühl. Das steckt einfach drin. Aber man kann doch viel dran formen, dass es runder wird.

Wie gelingt Ihnen das?

Pauels Mit einer anderen Achtsamkeit. Und mit einer anderen Perspektive auf die Dinge. Der Perspektivwechsel, der ja bei jedem Witz das Entscheidende ist. Es sind nicht die Dinge, die uns krank machen, sondern wie wir sie sehen. Du kannst fast alles auch positiv sehen. Ich versuche, meine Gedanken nicht aus einer Perspektive der Angst zu sehen, sondern aus einer der Weite und der Gelassenheit.

Gab es Situationen, in denen Sie am Leben verzweifelt sind?

Pauels Ich hatte nie Suizid-Gedanken, aber ich kann Suizid-Gedanken heute verstehen. Vor allem wenn man nur noch den Wunsch hat, es soll aufhören. Aber gleichzeitig hast du den Gedanken: Es wird nie aufhören. Das ist furchtbar. Aber dass ich nicht mehr hätte leben wollen? Nä, dafür bin ich doch zu viel katholisch und zu viel Rheinländer.

Könnten Sie sich auch eine Rückkehr auf die großen Karnevalsbühnen vorstellen?

Pauels Sag niemals nie. Mittlerweile habe ich so viele neue Witze, ich könnte eine komplett neue Büttenrede halten. Auch wenn mir mein Arzt geraten hat, mich nicht mehr einem solchen Dauerstress mit 200 bis 300 Auftritten im großen Karneval auszusetzen - es müssen ja nicht mehr so viele sein. Und wer weiß schon, was in fünf Jahren ist?!

DAS GESPRÄCH FÜHRTE GUIDO WAGNER.

(RP)
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