Hückeswagen Der Milchpreis fällt ins Bodenlose

Hückeswagen · Ein Liter Milch kostet beim Discounter nur noch 46 Cent. Weil der Milchpreis weiter fällt, sind auch Hückeswagener Landwirte in ihrer Existenz bedroht. Für die "Milchregion" Oberberg ist das fatal.

Hückeswagen: Der Milchpreis fällt ins Bodenlose
Foto: thinkstock / Okea

Der Milchpreiskampf, den sich die Discounter und Supermärkte in Deutschland momentan liefern, ist wirtschaftlich betrachtet das tiefste Tal, das deutsche Milchbauern seit Jahrzehnten durchstehen müssen. "Ein Auf und Ab in der Branche ist zwar nicht neu", sagt Helmut Dresbach, der Vorsitzende der Kreisbauernschaft im Oberbergischen. "Aber das ist kein Strukturwandel." Vielmehr befürchtet er "den Strukturbruch". Einige Familienbetriebe mussten im Preiskampf auf dem weltweiten Milchmarkt bereits kapitulieren. In Hückeswagen, berichtet Christian Felbeck, Vorsitzender der Ortsbauernschaft, hat es zwar noch niemanden getroffen. Doch die mehrere Tausend Euro hohen Verluste belasten Portemonnaie und Stimmung auf den etwa 30 örtlichen Höfen mit Milchvieh.

In den vergangenen Monaten ist der Preis pro Liter um knapp 25 Prozent gesunken. Kunden zahlen im Discounter nur noch etwa 46 Cent für ihre Frisch-, Voll- oder Halbfettmilch. Das ist eine fatale Entwicklung, insbesondere für das Bergische Land, das eine "Milchregion" ist: Der Boden bietet beste Voraussetzungen, denn zu 92 Prozent bestehen die Flächen aus dem artenreichen Grünland. "Hier leben die Leute vom Milchpreis", macht Dresbach deutlich. Es sind diese Familienbetriebe, die seit Monaten in arger Bedrängnis stecken und für die das Aufgeben nicht nur ein wirtschaftlicher, sondern auch ein persönlicher Tiefschlag wäre.

Eine Wahl haben die Landwirte aber nicht, weil sie nicht so einfach auf andere landwirtschaftliche Produkte umschwenken können. "Das Grünland darf nicht in Ackerland umgewandelt werden", erklärt Helmut Dresbach und spielt auf das Umbruchverbot an, dass das in Deutschland stark gefährdete "artenreiche Grünland" schützen soll.

Alternativen sind spärlich. Dresbach macht das betroffen, während Christian Felbeck richtiggehend sauer ist: "Es ist eine Frechheit, wie der Einzelhandel die Milch verramscht", macht er seinem Unmut Luft. Denn auch die Milch seiner Kühe holt der Molkerei-Riese Arla, der größte Abnehmer von Milch in Oberberg, mit seinen Tankwagen ab. Gut 24 Cent zahlt Arla derzeit. Tendenz? Weiter fallend. "Bei 35 könnte ich kostendeckend produzieren", sagt Felbeck. Doch monatlich fehlen ihm 3000 Euro. Von Kollegen habe er bereits gehört, dass sie sich Alternativen überlegen müssen, weil die Hückeswagener Milchbauern seit Monaten auf ihre Rücklagen zurückgreifen, um die "Durststrecke" zu überstehen.

Die Alternativen: den Hof verkleinern oder auf die Rinderzucht umschwenken. Im Schnitt waren es zuletzt jährlich vier Prozent der Milchbauern im Kreis, die aufgeben mussten - das war selbst in Zeiten der "Milchquote" so. Seitdem diese zum 1. April 2015 abgeschafft wurde, ist das Problem gewachsen: Die Milchquote deckelte mehr als 32 Jahre die Produktionsmenge. Vergangenes Jahr begannen die Bauern also, mehr Milch zu produzieren, geblendet von dem Versprechen der "Experten" aus der Politik, die Nachfrage werde wachsen. Das Russland-Embargo und die Wirtschaftskrise in China ließen diese Blase platzen.

Nun fällt der Preis, weil zu viel Milch auf dem Markt ist. "Aber es wird nicht mehr Milch gekauft, nur weil sie günstiger ist", sagt Felbeck. Und wie viel Milch genau auf dem Markt ist, wisse auch keiner. Den Verbraucher treffe zwar keine Schuld. "Aber würden alle Markenprodukte kaufen, würde das regionalen Landwirten helfen." Von den 100 Millionen Euro, die der Bund verspricht, werde er sowieso nichts sehen. Dresbach befürchtet Ähnliches.

(ball)
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