Hückeswagen Die schweren Jahre sind endlich vorbei

Hückeswagen · Nelli und Viktor Glock feiern morgen, Freitag, im Kreis ihrer Familie das seltene Fest der Diamantenen Hochzeit. Aus Kasachstan siedelten die Russlanddeutschen vor 23 Jahren nach Hückeswagen über; hier leben sie im Goethetal.

 Nach harten Jahren in Kasachstan - die beiden gingen beispielsweise nur für zwei bzw. drei Jahre zur Schule - kamen Nelli und Viktor Glock 1992 nach Hückeswagen. Morgen ist das Paar 60 Jahre miteinander verheiratet.

Nach harten Jahren in Kasachstan - die beiden gingen beispielsweise nur für zwei bzw. drei Jahre zur Schule - kamen Nelli und Viktor Glock 1992 nach Hückeswagen. Morgen ist das Paar 60 Jahre miteinander verheiratet.

Foto: J. Moll

Nach Einschätzung von Viktor Glock junior, Sohn von Nelli und Viktor Glock senior, teilen etwa sechs Prozent aller zurzeit in Hückeswagen Wohnenden die Lebensgeschichte seiner Eltern und Geschwister: Die meisten von ihnen haben, aus Kasachstan und anderen russischen Gebieten ausgesiedelt, in der Schloss-Stadt eine neue Heimat gefunden. Die 79-jährige Nelli Glock, geborene Haber, und ihr sechs Jahre älterer Ehemann Viktor leben bereits seit 1992 im Haus Goethestraße 37. Zwei Söhne, drei Töchter, Schwiegerkinder, elf Enkel und neun Urenkel bilden die nächsten Generationen.

Vor 62 Jahren verliebten sich die junge Waldarbeiterin Nelli Haber und der Allround-Handwerker Viktor Glock im kasachischen Bajan Aul. Zwei Jahre später, am 26. Juni 1955, standen sie in Maikain vor dem Standesbeamten. "Einen offiziellen kirchlichen Segen gab es nicht", erinnert sich die 79-Jährige. "Alles, was mit Religion zusammenhing, spielte sich allenfalls privat in den Familien ab. Ob evangelisch oder katholisch - wir kamen sonntags zusammen und haben gesungen und gebetet", blickt sie zurück.

Außer der Arbeit und der ständigen Sorge um das tägliche Brot gab es für die Jungvermählten unter den Zwängen der sowjetischen Planwirtschaft kaum Lebensqualität. "Auch später nicht, als die Kinder kamen", sagt Nelli Glock. "Ohne unseren Garten und etwas Landwirtschaft gab es kaum Überlebens-chancen."

Viktor Glock war viele Jahre lang ein gefragter Handwerker. Sein Sohn weiß das: "Er war Schreiner, Maurer und 41 Jahre lang Ziegelei-Fachmann", berichtet er für seinen Vater. Die Glocks haben die schweren Jahre hinter sich gelassen und sind inzwischen schon 23 Jahre lang Hückeswagener Bürger.

Im Dorf Noworiwanowka bei Krasnodar im deutschstämmigen Siedlungsverband wuchs Nelli Haber im Kreis von sechs Geschwistern nur fünf Jahre heran. "Dann kam Stalins Umsiedlungsbefehl", erinnert sie sich, "und ab ging's nach Bajan Aul in Kasachstan". Ihr Vater wurde zur Roten Armee eingezogen und überlebte den Krieg nicht. "Drei Jahre russische Schule, mehr nicht", erzählt sie. "Und dann war Arbeit in der Kolchose angesagt."

Viktor Glocks Eltern und Geschwistern ging es nicht anders. Aus der deutschsprachigen Umgebung nahe Saratov an der mittleren Wolga wurde die Familie herausgerissen. Die erste Umsiedlungsetappe hieß zwischen 1941 und 1947 Swerdlowsk im Ural, danach folgte Kasachstan. Viktor Glock war zwölf Jahre alt, als er endlich für ganze zwei Jahre die Schule besuchen durfte.

"Alles liegt jetzt hinter uns", versichert das Paar und will einen Schlussstrich unter seine russische Vergangenheit ziehen. "Ganz wird das wohl nicht gehen", meint Sohn Viktor. "Denn morgen bei der Diamant-Feier wird doch so manches wieder aufgewärmt werden."

(rt)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort