Hückeswagen/Remscheid Flesche-Fahrerin plant den Neuanfang

Hückeswagen/Remscheid · Anette Konstantin ist Lkw-Fahrerin mit Leib und Seele. Als ihr Remscheider Arbeitgeber, die Spedition Flesche, im November insolvent wird, schmiedet die Wahl-Hückeswagenerin neue Pläne. Sie macht sich selbstständig und studiert.

 Kämpfernatur: Anette Konstantin fuhr Lkw für die Spedition Flesche. Nach der Insolvenz schmiedete sie gleich Zukunftspläne - sie möchte sich selbstständig machen.

Kämpfernatur: Anette Konstantin fuhr Lkw für die Spedition Flesche. Nach der Insolvenz schmiedete sie gleich Zukunftspläne - sie möchte sich selbstständig machen.

Foto: Jürgen Moll (Archiv)

Beim Lkw-Fahren hat man viel Zeit für sich und seine Gedanken, sagt Anette Konstantin. Man sitzt auf dem großen Fahrersitz, hoch oben über den anderen Autos, fährt durch die Nacht und grübelt. Und dabei hatte Anette Konstantin eine Idee, wie sie aus einer Misere einen Neuanfang machen kann.

Und Neuanfänge liegen in Anette Konstantins Natur. "Ich hatte schon so viele unterschiedliche Jobs ", sagt die 54-Jährige, die 2014 mit ihrer damals 14-jährigen Tochter von Ludwigsburg nach Hückeswagen gezogen war, und lacht. "Aber die Männerwelt war schon immer mehr meins." Bis 1994 arbeitet sie bei einer Bank. Anschließend übernimmt sie für mehrere Jahre den landwirtschaftlichen Betrieb ihrer Eltern. Als sie selbst Mutter wird und den Betrieb aufgeben muss, entdeckt sie über einen Freund, der Kraftfahrer ist, ihre Leidenschaft für die 40-Tonner.

Sie macht ihren Lkw-Führerschein, verfolgt ihr Hobby aber nicht weiter - bis sie zehn Jahre später an Krebs erkrankt. "Da habe ich mir eine Liste gemacht", erzählt die Wahl-Hückeswagenerin. "Da stand drauf: Ich will Lkw fahren und an der Uni studieren."

Da Anette Konstantin eine Frau der Taten ist, beginnt sie im März 2015 ein Praktikum bei der Remscheider Spedition Flesche, wird danach fest übernommen. "Bei Flesche habe ich einiges dazu gelernt. Zum Beispiel richtig rangieren und mich bei den Männern durchzusetzen." Eineinhalb Jahre lebt sie ihren Traum, fährt Touren von Remscheid nach Hamburg und Bremen.

Im August 2016 kommt dann die niederschmetternde Nachricht: Die Firma ist zahlungsunfähig und muss Insolvenz anmelden. "Am Anfang waren wir noch voller Hoffnung, dass sich ein Investor findet." Aber die Pläne, das Unternehmen zu sanieren, schlagen fehl. Kunden bleiben aus, Investoren ziehen sich zurück. Im November ist endgültig klar: Es geht nicht weiter. Insgesamt 170 Mitarbeiter an den drei Standorten Remscheid, Bremen und Hamburg werden spätestens im März ihren letzten Arbeitstag bei Flesche haben. Allein 110 Mitarbeiter davon am Hauptsitz in Remscheid.

Die meisten ihrer Kollegen, sagt Anette Konstantin, seien noch in der Trauer- oder Wutphase. "Die Insolvenz hat sich für uns alle angefühlt wie ein schlechter Scherz." Dennoch schmiedet die Lkw-Fahrerin schon wieder Pläne, nachts auf dem Fahrersitz in ihrem 40-Tonner. Mit dem Netzwerk von Flesche will sie sich selbstständig machen. Die "Stafette Remscheid" soll mit ein oder zwei Fahrzeugen ihres alten Arbeitgebers die bekannte Strecke fahren und die alten Kunden der Spedition beliefern.

Diese Pläne werden immer konkreter. "Ich bin jetzt beim Buchstaben K angelangt - wie Kapital und Kunden", sagt die 54-Jährige und lacht. "Allerdings habe ich die Buchstaben nicht in alphabetischer Reihenfolge abgearbeitet." Zurzeit sei sie dabei, Investoren zu finden, dann will sie sich um die Kunden kümmern.

Auch ein Crowdfunding-Projekt hat sie im Sinn, um 9000 Euro für den Start zusammenzubekommen. Mitstreiter hat sie schon gefunden. Zehn frühere Kollegen wollen mit ihr die Strecke von Remscheid nach Hamburg fahren, wenn sie ihren Plan in die Tat umsetzt.

Die Unterstützung wird Anette Konstantin brauchen, denn auch ihren zweiten Wunsch erfüllt sie sich gerade: Seit Oktober studiert die 54-Jährige an der Bergischen Universität in Wuppertal Verkehrswirtschafts-Ingenieurwesen. Aber egal was kommen sollte: Im Zweifelsfall macht Anette Konstantin einen Neuanfang.

(veke)
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