Hückeswagen Förderschüler auf Entdeckungsurlaub

Hückeswagen · Drei Tage lang erkundeten zehn schwerst und mehrfach behinderte Schüler der Anne-Frank-Schule Wipperfürth im Garten der Europäischen Akademie an der Bever-Talsperre die Natur durch Observation und Experimente.

 Zusammen mit Christine Wosnitza von der Biologische Station Oberberg suchen Johannes (l.) und Dominik Kleinsttiere im Wasser. Hinterher werden die beiden Schüler der Wipperfürther Anne-Frank-Schule sie unter dem Mikroskop untersuchen.

Zusammen mit Christine Wosnitza von der Biologische Station Oberberg suchen Johannes (l.) und Dominik Kleinsttiere im Wasser. Hinterher werden die beiden Schüler der Wipperfürther Anne-Frank-Schule sie unter dem Mikroskop untersuchen.

Foto: Michael Schütz

David Welter ist begeistert. Als der 14-Jährige den inzwischen dritten Molch aus dem Teich gefischt hat, ruft der Schüler der Wipperfürther Anne-Frank-Schule aus: "Ich habe schon wieder einen." Vorsichtig lässt er ihn aus dem feinmaschigen Kescher in die Wanne gleiten, um das Tier in dem mit Wasser gefüllten Gefäß zu der kleinen "Forschungsstation" zu bringen, die im Garten der Europäischen Akademie für bio-psychosoziale Gesundheit (EAG) aufgebaut ist.

Hier verbringen die zehn schwerst und mehrfach behinderten Jugendlichen Urlaub. Drei Tage lang. Und das kostenfrei. "Wir kommen schon seit drei Jahren hierher, um mit den Schülern ein paar Tage lang die Natur zu genießen und sie zu erforschen", erzählt Lehrerin Susanne Heinemann. "Viele der Schüler haben sonst keine Gelegenheit, in den Urlaub zu fahren, da es wenige Hotels gibt, die sie aufnehmen oder ihren Bedürfnissen gerecht werden." Die Verbindung ist durch die Biologische Station Oberberg (BSO) entstanden, die sowohl eine Kooperation mit der Schule als auch mit der Akademie pflegt.

Entsprechend naturkundlich geht es bei dem Urlaub der Kinder zu. Auch David will seinen Molch ausgiebig erforschen. Lupen, ein Mikroskop und Tafeln, die über die verschiedenen Tiergattungen informieren, hat die Biologische Station bereitgestellt. Darüber hinaus steht die Biologin Christine Wosnitza für Fragen parat. "Siehst Du, der Molch hat noch seine Kiemenbüschel hinter dem Kopf. Das heißt, er ist noch ein Jungtier, das im Wasser lebt. Später entwickelt sich der Molch zum Landtier", erläutert sie dem 14-Jährigen am Mikroskop.

Am anderen Ende der Linse, die das Tier ins Visier nimmt, steht Ronny Günther. Auch für den 14-Jährigen sind die drei Tage an der Bever-Talsperre der einzige Urlaub, den er in diesem Jahr machen wird. Spannender hätte er sich seine Freizeit aber nicht vorstellen können. "Der Teich gefällt mir am besten, vor allem die Teichmolche sind interessant", sagt er. Aber auch mehrere Rückenschwimmer, eine Libellenlarve und verschiedene Schnecken hatte Ronny bereits unter der Lupe. "Wir haben außerdem eine Ringelnatter gesehen, und ein Tier, das aussah wie ein Maus und durch den Teich schwamm", erzählt der Junge.

Für eine intensivere Begutachtung waren diese beiden Tiere zu schnell verschwunden. Vielleicht aus weiser Voraussicht, denn Falkner Detlef Gassmann hat eine Besonderheit für die Kinder mitgebracht: zwei Raubvögel - Waldkauz "Fluschi" und Uhu "Der große Moritz", die sich geduldig bestaunen lassen. "Der Uhu ist die größte Eulenart in Mitteleuropa", erklärt der Fachmann mit dem "Großen" auf dem Arm, während er langsam zu den Kindern tritt. "Erstaunlich ist: Weil die Augen eines Uhus starr nach vorne zeigen, kann der Vogel seinen Kopf drehen, und zwar um 270 Grad."

Furcht vor den großen Raubvögeln ist bei den Schülern nicht zu spüren, fasziniert betrachten sie diese von Angesicht zu Angesicht. Manche trauen sich sogar, "Moritz" zu streicheln. Und Ronny wagt es, das Tier selbst einmal zu halten. "Wow, der ist aber ganz schön schwer", sagt der Junge, der sich sichtlich anstrengt, den Arm gerade zu halten. "Aber ganz weich und warm", ergänzt er mit strahlenden Augen.

Weitere Höhepunkte des dreitägigen Urlaubs sind eine Nachwanderung, ein Lagerfeuer mit Stockbrot-Rösten sowie ein Ausflug zum Damm der Bever-Talsperre. Reine Freizeit ist der Aufenthalt in der EAG für die Jugendlichen allerdings nicht, etwas Arbeit gehört auch dazu: Als Dank dafür, dass sie dort kostenfrei übernachten dürfen, bringen die Förderschüler den Garten auf Vordermann. Sie befreien den Teichsteg von Brennnesseln, kultivieren die Staudenbeete, pflegen die Kräuterspirale und setzen neue Kräuter ein. Eva Giethring von der Europäischen Akademie sagt: "Wir freuen uns, dass uns die Kinder regelmäßig besuchen und wir ihnen ermöglichen können, sich auf dem weitgehend unberührten Gelände ausleben zu können."

(beaw)
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