Hückeswagen Gotteshütte hilft jungen Flüchtlingen

Hückeswagen · Was geschieht eigentlich mit jugendlichen Flüchtlingen, die ganz alleine in Deutschland ankommen? Die Jugendämter greifen auf freie Träger zurück, wie die Gotteshütte. Das Hückeswagener Sozialwerk richtet jetzt Wohngruppen ein.

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Foto: Dieter Weber

Es ist unglaublich ruhig in Hollmünde, einer kleinen Wipperfürther Hofschaft zwischen Ohl und Dohrgaul. Nur selten verirrt sich ein Auto hierher, eher schon Rehe und Wildkaninchen. Auch viele Wanderer schätzen die Ecke, umgeben von Wäldern und Wiesen. Führt doch der Bergische Panoramasteig hier vorbei. Das große ehemalige Forsthaus, das lange Zeit leer stand, wird voraussichtlich ab Anfang Dezember wieder mit Leben gefüllt. Denn hier werden in einer Hälfte des Gebäudes sieben unbegleitete jugendliche Flüchtlinge im Alter zwischen 15 und 17 Jahren zusammen mit ihren Betreuern einziehen.

"Sie sollen erst einmal zur Ruhe kommen", sagt Sascha Viehoff, Geschäftsführer des Jugend- und Sozialwerks. Schließlich hätten sie viele traumatische Erlebnisse - die der Flucht und aus der Heimat - zu verkraften. Und sie sollen dort die deutsche Sprache und den Alltag kennenlernen. "Wir wollen ihnen zum Beispiel vermitteln, dass sie, wenn sie krank sind, zum Arzt gehen können - ohne vorher Geldscheine auf den Tisch zu legen", erläutert Viehoff. Und auch vor der Polizei bräuchten sie - im Gegensatz zu ihren Heimatländern - keine Angst haben.

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Foto: dpa, rwe jai

"Die Aufnahme der Jugendlichen, die ohne Familie geflüchtet sind, ist in erster Linie Aufgabe der Jugendämter", erläutert Bürgermeister Dietmar Persian. Landesweit gibt es 186, auf die die Jugendlichen nach einem bestimmten Schlüssel - einer pro 1800 Einwohner - verteilt werden. Laut Viehoff besteht bei den Jugendämtern derzeit ein großer Druck, sie unterzubringen. "Für sie müssen Plätze in Jugendhilfeeinrichtungen geschaffen werden", sagt der Geschäftsführer der Gotteshütte.

Das Hückeswagener Jugend- und Sozialwerk beschäftigt sich bereits seit einem Dreivierteljahr mit diesem Thema. Viehoff: "Das ist eine gesellschaftliche Aufgabe, der wir uns auch stellen wollen." So arbeitet die Gotteshütte an Konzepten, die sie den Jugendämtern und Kommunen anbietet. Denn die meist männlichen Flüchtlinge hätten in der Regel eine bewegende Fluchtgeschichte hinter sich. Im August war es die Stadt Remscheid, die als erste den Kontakt zur Gotteshütte aufgenommen hatte. "Wir betreuen jetzt neun unbegleitete minderjährige Flüchtlinge", berichtet der Geschäftsführer.

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Foto: dpa, fg jai

Noch sind sie in den normalen Regelgruppen des Sozialwerks untergebracht. "Wir haben aber festgestellt, dass das eine große Herausforderung darstellt", sagt Viehoff. So sprächen die Jugendlichen kein Englisch, Deutsch oder Französisch, sondern nur die Sprache ihrer Heimatländer. Und sie seien teilweise traumatisiert (siehe nebenstehenden Bericht).

Das Leben in den neuen Wohngruppen soll sie auf den Alltag in ihrer neuen Heimat vorbereiten; Viehoff nennt das eine Inobhutnahme-Clearing-Aufgabe. Im Sommer wird die zweite Hälfte des Gebäudes in Hollmünde bezugsfertig sein und weitere sieben Jugendliche aufnehmen. Etwa drei bis sechs Monate leben sie dort und lernen Deutsch, wie sie zu Ärzten und Behörden kommen und die neue Kultur kennen. Danach werden sie in die Regelgruppen oder Gastfamilien integriert. Unter anderem in einer weiteren Regelgruppe in Hückeswagen, die im Sommer in einem Haus nahe des Johannesstifts eingerichtet werden soll.

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Viehoff: "Bevor sie dort leben, wollen wir ihnen erst einmal die Basis für das Leben hier verschaffen." So werden in dem Gruppenalltag viele tagesstrukturierende Elemente eingebaut, wie Sport, Werken und Basteln sowie erlebnispädagogische Angebote. Auch das weitläufige Gelände und die Scheunen rund um das Gebäude sollen genutzt werden. Gemietet ist das übrigens von Markus Gehle und Stefan Küster, die der Gotteshütte bereits mehrere Objekte vermietet haben. Darunter ist die alte Villa an der Peterstraße, in der das Jugend- und Sozialwerk seine Geschäftsstelle hat.

Dass die jungen Flüchtlinge bei der Gotteshütte in Hollmünde zur Ruhe kommen, daran besteht angesichts der Lage und des Umfelds kaum ein Zweifel. Das ist in Großstädten mitunter anders: "Dort passiert es schonmal, dass sie schnell zum Alkohol greifen", berichtet Viehoff. Die Betreuer werden hier jedoch alles tun, dass sie nicht unter die Räder geraten.

(RP)
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