Hückeswagen Kinder erleben den Wald als Spielplatz

Hückeswagen · Drei Wochen nach der Eröffnung des Waldkindergartens haben sich die zwölf "Wurzelkinder" gut an ihre Spielschule im Grünen gewöhnt. Mit viel Fantasie erleben die Zwei- bis Fünfjährigen Bäume, Stümpfe und Sträucher als Spielgeräte.

Aufbruchstimmung im Waldkindergarten: Kaum ist das Morgenlied zu Ende gesungen, strömen die zwölf Kinder aus ihrem Sitzkreis raus. Gruppenleiterin Sandra Heider hat das Kommando gegeben: "Jetzt geht es in den Wald", hat sie gesagt. Wie bei einem Wettrennen laufen die Kleinen auf ihren kunterbunten Bauwagen zu, schnappen sich dort ihre Rucksäcke und stellen sich auf. Alle haben Proviant eingepackt, mancher auch noch eine Jacke. Paul (3) hat sogar ein neongelbes Sitzkissen aus Silikon dabei, damit er es auf dem Waldboden gemütlich hat.

Drei Wochen nach Eröffnung des Waldkindergartens kennen sie sich inzwischen aus, die "Wurzelkinder". Jeden Morgen gehen sie mit ihren Erzieherinnen in den Wald, verbringen selbst bei Wind und Wetter den ganzen Vormittag im Grünen. "Das Besondere an dieser Gruppe ist, dass wir nach dem waldpädagogischen Konzept arbeiten", sagt Sandra Heider. "Das bedeutet, die Kinder erleben im Freispiel genau das, was sie gerade brauchen, wie sie sich gerade entwickeln wollen." Zur Verdeutlichung nennt die Gruppenleiterin einen regulären Spielplatz, dessen Spielgeräte den Kindern vorgeben, wie sie darauf spielen können. Auf einer Rutsche etwa kann nur gerutscht werden, auf einer Schaukel lediglich geschaukelt. "Und wenn ein Kind noch zu klein ist, um eine Kletterwand hochzuklettern, dann bleibt dieses Spielgerät für sie eben unbrauchbar", erklärt Heider. "Im Wald dagegen erfahren sich Kinder viel besser. Sie suchen ihre eigenen Herausforderungen und sind nicht gezwungen, vorgegebenen Ablaufmustern zu folgen." Die Basis dafür biete die eigene Fantasie.

Mark (vorne) und Noah mitten im Wald auf Weltrundfahrt. "Einmal rum dauert nur eine Minute, und wenn wir ankommen, drücke ich die Pfeife", sagt Mark.

Mark (vorne) und Noah mitten im Wald auf Weltrundfahrt. "Einmal rum dauert nur eine Minute, und wenn wir ankommen, drücke ich die Pfeife", sagt Mark.

Foto: wyglenda

In Christophs (5) Fantasie ist der Weg in den Wald offenbar eine Abenteuerreise. Vergangene Woche hat er sich dafür einen Wanderstock gebastelt. "Draußen im Wald zu sein, finde ich gut, nur die langen Wege sind ganz schön anstrengend", sagt er. Tatsächlich müssen die Kinder lediglich über den Parkplatz des Johannesstifts und über eine Straße laufen, um ins Grüne zu gelangen. Eine Herausforderung stellt nur eine Böschung dar, die die Zwei- bis Fünfjährigen hinaufkraxeln müssen. Körperlich ist dies kein Hindernis - ein Kind nach dem anderen klettert den Erdwall hoch, indem es sich an Sträuchern festhält und über Wurzeln hochschiebt. Doch oben angekommen, offenbart sich die wahre, die emotionale, Hürde: die leidliche Trennung von Erzieherinnen und Eltern. So manches Tränchen wird nun verdrückt. Rufe nach Mama und Papa erfüllen den Wald. "Die meisten Kinder sind noch in der Einführungsphase und haben Probleme, sich von den Eltern zu lösen", erklärt Heider.

Sobald jedoch auch die Erwachsenen oben sind, pilgern die Zwerge wieder gut gelaunt weiter. "Die frische Luft, die Natur sind einfach gut für die Kinder. Im Wald können sie sich erfahren, ganz ohne die alltägliche Reizüberflutung", sagt Nadine Wüste, deren Sohn Ernesto (2) in den Waldkindergarten geht. "Wenn die Kinder ihre fünf bis sechs Stunden-Dosis frische Luft bekommen, wird das Immunsystem ganz anders gestärkt", bestätigt die Mutter von Vincent (3), Kathrin Backmann. "Zudem hängen Kinder heutzutage oft nur vor dem Fernseher. Hier dagegen lernen sie andere Qualitäten kennen, die ihnen als Basis für das ganze Leben dienen können."

Tatsächlich beginnen die Kinder nach der Ankunft im "Mäusewald" sofort frei zu spielen. Lorenz (2), Niklas (3) und Christoph (5) wandeln ihre Wanderstöcke in Degen um und tragen spielerisch Wettkämpfe aus. Dalia (3) hingegen geht lieber auf Blattsuche. Die schönsten hängt sie an eine Schnur. "Das wird eine Blattgirlande", verrät Heider. "Um unseren Bauwagen für den nächsten Elternabend zu verschönern." Mark (5) wiederum steigt auf einen großen Baumstumpf. "Das ist mein Schnellzug", erzählt der Junge. Für 25 Euro und zwei Cent - umgerechnet drei Blätter - nimmt er auch Noah (4) mit auf seine abenteuerliche Weltrundfahrt. Mark: "Einmal rum dauert nur eine Minute, und wenn wir ankommen, drücke ich die Pfeife."

(beaw)
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