Hückeswagen Leben in zufriedener Abstinenz das Ziel im "Lindenhof"

Hückeswagen · Verkehrte Welt in der Kleinstadt? Vielen schien es so, als vor über 30 Jahren Pläne bekannt wurden, ausgerechnet in einer früheren Gaststätte an der August-Lütgenau-Straße ein Wohnheim für chronisch Alkoholkranke einzurichten. Protest formierte sich, vor allem in der Nachbarschaft des Wohngebiets und in der näheren Umgebung. Ängste wurden geschürt, vermeintliche Gefahren für ringsum wohnende Familien und deren Kinder heraufbeschworen. Der "neue" Lindenhof war entschieden unerwünscht in Hückeswagen, seine künftigen Bewohner waren es auch.

 Bürgermeister Dieter Persian (2. v. l.) besuchte 2014 den "Lindenhof". Dessen Leiter Hartmut Wagner (2. v. r.) sowie Lars Preuß (r.) und Slawomir Dzienisz präsentierten eine Kartoffelkiste.

Bürgermeister Dieter Persian (2. v. l.) besuchte 2014 den "Lindenhof". Dessen Leiter Hartmut Wagner (2. v. r.) sowie Lars Preuß (r.) und Slawomir Dzienisz präsentierten eine Kartoffelkiste.

Foto: Moll (Archiv)

Die Oberbergische Gesellschaft zur Hilfe für psychisch Behinderte (OGB) hielt dennoch an ihren Plänen fest: 1982 wurde die "Wohnstätte Lindenhof" im Gebäude der ehemaligen Traditionsgaststätte als Wohnheim und soziotherapeutisches Betreuungszentrum für alkohol- und medikamentenabhängige Frauen und Männer eröffnet. Zur Gefahr für andere Menschen im Wohngebiet sind die abstinenten Suchtkranken seitdem tatsächlich nie geworden. "Die anfänglichen Bedenken konnten ausgeräumt werden": Das sagte Hartmut Wagner, Diplom-Pädagoge und seit mehr als 30 Jahren Leiter der Einrichtung, jetzt im Sozialausschuss, in dem er den "Lindenhof" und die Arbeit dort vorstellte.

18 Männer und Frauen leben dort in drei Wohngruppen, alle in individuell gestalteten Einzelzimmern. Aufgrund ihrer oft über Jahrzehnte andauernden Suchtgeschichte sind fast alle langfristig oder auch dauerhaft körperlich, psychisch und sozial so stark beeinträchtigt, dass sie zu einer eigenständigen Lebensführung nicht mehr imstande sind. Im "Lindenhof" sollen sie ein Zuhause und ein Leben in zufriedener Abstinenz finden. Acht Mitarbeiter betreuen die Bewohner, die innerhalb ihrer Wohngruppen ihren Haushalt selbst organisieren und führen. Wagner: "Der Alltag ist die Therapie."

Integriert in diesen Alltag sind therapeutische Angebote, die den Tag strukturieren. Manche arbeiten in der Behinderten-Werkstatt in Marienheide, andere sind nicht mehr erwerbstätig. "Viele unserer Bewohner sind schwer krank und können nicht arbeiten", sagte Wagner.

Auch die zwingend vorgeschriebene - und überwachte - Abstinenz kann die Folgeerkrankungen des früheren langen Suchtmittel-Missbrauchs nicht ausgleichen. Hinzu kommt laut Wagner, dass viele Bewohner starke Raucher sind: "Sie trinken nicht mehr, aber sie rauchen umso stärker. Das fördert schwere Erkrankungen."

Der "Lindenhof" ist keine geschlossene Einrichtung: Jeder Bewohner kann sie jederzeit verlassen, um Dinge in der Stadt zu erledigen, Veranstaltungen oder, sofern noch vorhanden, die eigene Familie zu besuchen. Kommt es dabei zu Rückfällen, also zum Konsum von Alkohol, werden die Betroffenen umgehend zur Entgiftung in die Fachklinik nach Marienheide gebracht. Eine Rückkehr danach in den "Lindenhof" ist möglich.

Hartmut Wagner: "Wir möchten, dass die Menschen sich bei uns zu Hause fühlen und ihr Leben im ,Lindenhof' nicht als Eingesperrt-Sein empfinden." Viele der Bewohner im Alter zwischen 40 und 70 Jahren bleiben schließlich bis zum Lebensende in der Wohnstätte, die einmal Gaststätte war.

(bn)
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