Hückeswagen Nach Unfall erst mal zum Whisky gegriffen?

Hückeswagen · Es gehört zum Arbeitsalltag von Richtern und Staatsanwälten, Klarheit zu bringen in die oftmals aus Dichtung und Wahrheit gestrickten Geschichten, die Angeklagte ihnen im Gerichtssaal erzählen. Die Geschichte, die ihnen nun ein 21-jährigen Handwerker am Amtsgericht Wipperfürth auftischte, erschien den Juristen dann aber doch etwas zu fantasievoll - und wenig glaubhaft. Es ging um den Anklagevorwurf einer Trunkenheitsfahrt.

Die Fakten: Der 21-Jährige war an einem Abend im Mai vorigen Jahres gemeinsam mit einem Freund von Wipperfürth aus nach Hückeswagen gefahren, um dort eine Bekannte zu besuchen. An einer Tankstelle an der Peterstraße machten beide auf der Rückfahrt Halt. Sie kauften Whisky und Bier ein, um dann später beim Freund "abzufeiern". Dazu kam's aber nicht: In einer kleinen Hofschaft nahe bei Hämmern verlor der 21-Jährige die Kontrolle über den Wagen, streifte eine Bruchsteinmauer und landete schließlich im Graben.

Der Alkohol sei nicht verantwortlich für den Unfall, er sei zu diesem Zeitpunkt nämlich noch stocknüchtern gewesen: Das beteuerte der 21-Jährige nun im Strafverfahren. Und wie war es dann zu den gut 1,8 Promille gekommen, die Stunden nach dem Unfall eine Blutprobe bei dem jungen Handwerker ergab? Seine Antwort: Als das Auto im Graben lag, habe er erst einmal die zuvor an der Tankstelle gekaufte Whiskyflasche geöffnet, während sein Freund und Begleiter das Bier vorgezogen habe. Nachfrage des Staatsanwaltes: "Halten Sie selbst es für glaubwürdig, dass ein nüchterner Mensch nach einem von ihm verursachten Unfall mit dem Wagen seines Chefs erst einmal nichts Besseres zu tun hat, als eine Flasche Whisky zu leeren?"

Genauso sei's aber gewesen, versicherte der 21-Jährige. Und das bestätigte der als Zeuge geladene Freund, der damals auf dem Beifahrersitz gesessen hatte. Zwischen dem angeblichen Whisky-Trinken hatte der junge Mann eigenen Aussagen zufolge versucht, seinen Stiefvater zu erreichen, der ihn abschleppen sollte. Der ging nicht ans Telefon. Ein Anwohner der kleinen Hofschaft habe ihnen dann helfen wollen, das Auto aus dem Graben zu ziehen, dabei sei jedoch das Abschleppseil gerissen. Schließlich habe er mehrfach die Polizei angerufen, die dann Stunden später endlich auch gekommen sei. "Das hätte ich doch nicht gemacht, wenn ich vorher betrunken gefahren wäre", gab der 21-Jährige zu bedenken. Bei der polizeilichen Vernehmung hatte er allerdings nichts von einem Nachtrunk erzählt, deshalb war auch keine zweite Blutprobe genommen worden.

Das Gericht will nun erst einmal weitere Zeugen hören, darunter die Polizeibeamten und den Anwohner, der versuchte hatte zu helfen. Der Prozess wird also in Kürze fortgesetzt. Womöglich wird sich dann auch ein Gutachter dazu äußern, ob es überhaupt möglich ist, innerhalb von gut drei Stunden, die zwischen dem Unfall und der Blutprobe lagen, eine ganze Flasche Whisky zu trinken und damit auf den hohen Wert von gut 1,8 Promille zu kommen.

(bn)
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