Hückeswagen Polizei kutschiert falsche Angeklagte zum Gericht

Hückeswagen · Strafrichtern am Amtsgericht ist nichts Menschliches fremd. An jedem Hauptverhandlungstag bekommen sie mit den Aussagen von Angeklagten und Zeugen Geschichten vom ganz normalen Wahnsinn des Alltags zu hören. Die schreibt das Leben nun mal auch in der Provinz und jenseits spektakulärer Prozesse um Mord und Totschlag. Und doch gibt's immer wieder so manches, was auch erfahrene Richter in tiefes Staunen versetzt. So war's nun an einem ganz normalen Sitzungstag am Amtsgericht in Wipperfürth, wo auch Angeklagte aus Hückeswagen vors "hohe Gericht" treten.

Manchmal tun sie das nicht freiwillig, dann ordnet der Richter die Vorführung des oder der Beschuldigten durch die Polizei an. So geschah's auch an dem besagten Tag. Diesmal sollten Polizeibeamte eine Frau aus ihrer Wohnung in Radevormwald abholen, weil sie zuvor trotz ordnungsgemäßer Ladung wiederholt nicht zum Prozess erschienen war.

Früh am Morgen standen die Polizeibeamten in Rade auf der Matte. Sie baten die dort angetroffene Frau in ihren Streifenwagen, chauffierten sie zum Amtsgericht und setzten sie im Wartebereich ab. Auf den harten Stühlen saß die Vorgeführte mehrere Stunden, bis "ihr" Prozess begann.

Nur: Es war gar nicht "ihrer"! Die Frau wohnt zwar im selben Mehrfamilienhaus wie die, die als Angeklagte wegen eines ihr zur Last gelegten Betruges hätte vorgeführt werden sollen, ansonsten gab's und gibt's aber keinerlei Gemeinsamkeiten. Die Polizei hatte schlichtweg die falsche Dame ins Auto "gepackt". Wie das passieren konnte, obwohl es nicht einmal eine Ähnlichkeit beim Namen beider Frauen gibt, war letztlich nicht zu klären.

Nicht nur dem Richter blieb unerklärlich, warum die unschuldige Frau trotz der Gewissheit, nichts Böses getan zu haben, brav ins Auto der Polizeibeamten gestiegen war und dann genauso brav und geduldig auf den Beginn eines Prozesses gewartet hatte, mit dem sie nichts zu schaffen hatte. Es gehe wohl um Betrug, hätten die Beamten ihr unterwegs gesagt, mehr wisse sie auch nicht, antwortete die Raderin auf Nachfragen des Richters. Und der Polizei müsse man ja schließlich folgen. . .

Auf die Rückfahrt im Streifenwagen verzichtete die Frau. Ihr Mann werde sie abholen. Der sei ja nun in der Frühe zuerst von der Polizei aus dem Bett geworfen worden und deshalb nun, Stunden später, garantiert wach und auch fahrbereit. In heiterer Gelassenheit und allen "noch einen schönen Tag" wünschend verließ die vermeintliche Betrügerin, die keine war, den Gerichtssaal, den sie sonst wahrscheinlich nie zu Gesicht bekommen hätte. Auf die Erstattung von Auslagen oder Verdienstausfall verzichtete sie dankend.

Eine Gratisfahrt durch den obergischen Norden im Streifenwagen und unter Polizeischutz bekommt man ja schließlich auch nicht alle Tage. Und die Aufmerksamkeit sämtlicher Nachbarn, die den "Hausbesuch" von Staats wegen am Morgen mitbekommen hatten, dürfte ihr jedenfalls gewiss sein.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort