Hückeswagen Russin findet Grab des Opas in Voßhagen

Hückeswagen · Svetlana Komissarova aus Moskau besucht zum ersten Mal das Grab ihres Großvaters, der 1941 als Kriegsgefangener im Lager Hammerstein gestorben ist. Die Familie wusste nichts vom Verbleib und vom Schicksal von Konstantin Samarin.

 Svetlana Komissarova aus Moskau hat die Gräber mit Blumen geschmückt und entfernte Unkraut und Moos auf dem gesamten Areal.

Svetlana Komissarova aus Moskau hat die Gräber mit Blumen geschmückt und entfernte Unkraut und Moos auf dem gesamten Areal.

Foto: nico hertgen

Weinend steht Svetlana Komissarova am Grab ihres Großvaters in Voßhagen. Seit 73 Jahren hat die Familie aus Moskau nichts mehr von ihm gehört. Konstantin Samarin galt als Kriegsverschollener. Jetzt, nach zweijähriger Recherche, stieß seine Enkeltochter im Internet auf den Namen.

Einen entscheidenden Anteil daran hat auch die Arbeitsgemeinschaft "Hammerstein" des Vereins Bergische Zeitgeschichte (BZG). Sie veröffentlichte die Namen und Personalakten aller 43 Kriegsgefangenen, die auf dem Gedenkfriedhof in Voßhagen ihre letzte Ruhe fanden.

Svetlana Komissarova kennt ihren Großvater nur aus den Erzählungen der Oma. "Ihre Liebe war so stark, dass sie bis zum letzten Tag auf ihren Mann gewartet und nie wieder geheiratet hat", berichtet die Russin mit Hilfe des Dolmetschers Stanislaw Becker vom historischen Verein Ar.kod.M. (Arnsberger russische Kriegsopfer Memorial) aus Dortmund.

Ihre Großmutter ist 2003 im Alter von 91 Jahren gestorben, ohne jemals Gewissheit über den Verbleib ihres Mannes zu erhalten. Das letzte Lebenszeichen war ein Brief ihres Mannes vom Juli 1941. Darin berichtete er von seiner Gefangennahme in der Stadt Smolensk, die von der Panzerdivision eingekesselt war (Kesselschlacht von Smolensk). Schon ein halbes Jahr später starb der Kriegsgefangene und wurde in Voßhagen im Grab mit der Nummer Eins begraben.

"Noch auf dem Sterbebett sprach meine Großmutter von ihrem Kollja", sagt die zierliche Frau mit den langen blonden Haaren. Er sei ein aufrichtiger, starker Mann und Mittelpunkt der Familie gewesen. Die Suche nach dem Verbleib ihres Großvaters war für sie eine Art Mission, die nun endlich beendet ist.

Svetlana Komissarova, die bisher weder im Ausland war, noch jemals zuvor in einem Flugzeug gesessen hatte, nahm die Reise nach Deutschland auf sich. "Ich habe mir viele Sorgen gemacht, ob alles funktioniert", verrät die Mittvierzigerin. Der Verein Ar.kod.M begleitete die Russin auf ihrer bewegenden Reise in die Vergangenheit. Dmitriy Kostovarov empfing die Hinterbliebene am Flughafen und begleitete sie zur Grabstätte nach Hückeswagen. "Sie hat beim ersten Besuch stundenlang geweint", berichtet der Vereinsvorsitzende.

Für das Grab ihres Großvaters brachte Komissarova einen Grabstein samt Foto mit und nahm dabei auch gerne die 80 Euro Übergepäckgebühren im Flugzeug in Kauf. In den sieben Tagen ihres Aufenthalts in der Schloss-Stadt schmückte sie die Gräber mit Plastikblumen-Gestecken und einem frischen Blumenstrauß und entfernte Unkraut und Moos auf dem gesamten Areal.

"Ich bin der Familie Guski dankbar, dass alles so gut erhalten wird und sie ein Auge darauf wirft", lässt Svetlana Komissarova übersetzen. Bernhard Guski ist Initiator der Gedenkstätte, Vorsitzender des Vereins "Friedenskapelle Voßhagen" und wohnt in unmittelbarer Nähe der Gedenkstätte.

Die Bibliothekarin aus Moskau möchte in Zukunft noch weitere Hinterbliebene der in Voßhagen begrabenen russischen Soldaten ausfindig machen. Erste Kontakte konnte sie bereits knüpfen, deutete sie an.

Gestern Abend ging ihr Flug zurück in die Heimat. Im Mai nächsten Jahres, genau 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs, möchte die Russin wieder zurück nach Hückeswagen kommen.

So richtig realisiert hat sie die Erlebnisse der vergangenen Tage noch nicht. "Vielleicht bin ich in einem Märchen", wiederholt sie immer wieder ungläubig.

(RP)
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