St. Mariä Himmelfahrt Eine Kirche mit Waschbütt und Notkreuz

Hückeswagen · Die katholische Pfarrkirche St. Mariä Himmelfahrt ist das größte katholische Gotteshaus im ganzen Bergischen Land.

 Imposanter Blick von oben auf das Kirchenschiff der katholischen Pfarrkirche von St. Mariä Himmelfahrt an der Weierbachstraße.

Imposanter Blick von oben auf das Kirchenschiff der katholischen Pfarrkirche von St. Mariä Himmelfahrt an der Weierbachstraße.

Foto: Moll, Jürgen (jumo)

Die Luft ist klar und eiskalt an diesem Morgen. Die Kirche St. Mariä Himmelfahrt ragt erhaben in den blauen Himmel. Im Inneren, hinter den schweren Massivholztüren ist es warm und still. Der Raum mit dem dunkelgrauen Steinboden absorbiert jegliche Geräusche. Die zahlreichen Buntglasfenster brechen das hereinfallende Sonnenlicht – und auf den weißen Säulen tanzen Prismen in Regenbogenfarben. Über ein Dutzend Heilige thronen rechts und links über den Kirchenbänken. Die meisten dieser Figuren sind genauso alt, wie die Kirche selbst. Über dem Altar dann eins der moderneren Elemente, die die Kirche schmücken: das Kreuz. Hölzern, grau, mit roten und gelben Farbtupfern. Ein interessanter Blickfang – und ohne Korpus, was ungewöhnlich ist für eine katholische Kirche.

Willy Otto weiß, wie das unkonventionelle Kreuz überhaupt an seinen Platz kam. Seit 81 Jahren ist er Mitglied der Gemeinde und hat hat sämtliche Umbau-, Restaurierungs- und Renovierungsarbeiten miterlebt, zum Teil auch als Verantwortlicher seitens der Kirchengemeinde. „Keiner kennt die Kirche so gut wie er“, sagt Küster Hans-Peter Arnold, der seit zehn Jahren als Organist Teil der Gemeinde ist.

 Hans-Peter Arnold (l./Küster) und Willy Otto, ehemaliges Mitglied des Kirchenvorstandes und seit 81 Jahren in der Gemeinde.

Hans-Peter Arnold (l./Küster) und Willy Otto, ehemaliges Mitglied des Kirchenvorstandes und seit 81 Jahren in der Gemeinde.

Foto: Moll, Jürgen (jumo)

Ein „Notkreuz“ sei es ursprünglich gewesen, erzählt Willy Otto. „Nach der Umgestaltung der Kirche 1971 standen wir ohne Kreuz da“, erinnert er. Bildhauer und Designer Helmut Moos, Bruder des damaligen Pfarrers half aus: Herumliegende Bauhölzer formte er zu einem neuen Kreuz. Es sollte ein Provisorium sein, doch stattdessen schmückt Moos’ Werk bis heute den Altarraum und ist kaum wegzudenken.

Und so vereint die Kirche heute Modernes mit alten Schätzen. Kostbar verzierte Monstranzen und andere Kirchenschätze unter expressionistisch anmutenden Kirchenfenstern. „Wir wollen Alt und Neu miteinander verbinden“, sagt Otto.

Die Historie des Gotteshauses beginnt vor fast 140 Jahren, als der Grundstein gelegt wurde. Vorher nutzte die katholische Gemeinde die Schlosskapelle des Grafen von Berg für ihre Gottesdienste. Seit in der Nikolauskirche (heute Pauluskirche) die Reformierten Gottesdienst hielten, standen die Katholiken ohne eigenes Gotteshaus da. 1881 begann der Bau auf dem Flurstück „Justhof“ – ein Jahr später war die Pfarrkirche St. Mariä-Himmelfahrt fertig. „Die haben sich damals beeilt“, sagt Willy Otto und lacht. Allerdings sollte es noch 77 Jahre dauern, bis die Kirche offiziell geweiht wurde. Der Grund: der damalige Kulturkampf zwischen den Konfessionen (es stand vermutlich kein Weihbischof zur Verfügung). Lediglich eine „Segnung“ durch den damaligen Pfarrer Gießen wurde vollzogen. Erst 1959, nach dem ersten Umbau von St. Mariä Himmelfahrt, weihte der Erzbischof von Köln die Kirche. Und dem besagten Umbau verdankt das Gotteshaus sein mittlerweile hervorragendstes Wesensmerkmal: den asymmetrischen Grundriss. Rechts blieb das alte Kirchenschiff erhalten, links verbreiterte man sich. Eine riesiges Buntglasfenster dominiert heute die rechte Seite.

Damals hatte die Umgestaltung keine ästhetischen Gründe, sondern war funktional gedacht. Nach dem Zweiten Weltkrieg vergrößerte sich die Gemeinde rasant. Viele katholische Geflüchtete ließen sich in Hückeswagen nieder. Und plötzlich war das Gotteshaus zu klein.

Zwölf Jahre später folgten bereits die nächsten Umbauarbeiten. Eine neue Berechnung der Statik hatte ergeben, dass die Säulen zwischen Mittelschiff und rechtem Seitenschiff entfernt werden können, ohne dass das gesamte Gotteshaus in sich zusammenfällt. Stahlverbindungen wurden installiert und die „freischwebende Decke“ zwischen den Traufen des alten Mittelschiffs und des Anbaus installiert sowie Fußboden und Decke restauriert.

Und obwohl sich das Gotteshaus mit den Bedürfnissen der Zeit stetig veränderte, blieben die Ursprünge stets in Erinnerung. So auch ein Stück verzierter Wand im Chorraum mit gemalten Ornamenten. Die Urausmalung haben wir freigelegt und wollten es so lassen“, erklärt Otto, „denn so sah die Kirche ganz am Anfang aus.

Einen ganz besonderen Schatz fand man bei den Umbauarbeiten 1996 bis 1997. Willy Otto zeigt auf eine Ausbuchtung an der rechten Wand des Kirchenschiffes. Das sei zugemauert gewesen, ebenso wie ein anderes Stück. „Da war es immer so feucht. Wir haben dann gebohrt, und uns schlug ein fürchterlicher fauler Geruch entgegen. Wir entfernten den Beton und entdeckten das hier“. Er zeigt auf die Fragmente eines Kreuzweges aus Tonüberzug. Man erkennt noch, wo die einzelnen Stationen beginnen. Der Ton weist teilweise noch farbige Stellen auf. Niemand wusste bis zu diesem Zeitpunkt, dass der Kreuzweg existierte. „Der wurde eines Tages anscheinend zugemauert.“ Die Kirchengemeinde hatte diesen dem Pfarrer Gießen im Jahr 1883 geschenkt, zu dessen 50-jährigem Gemeindejubiläum. Jetzt liegt der Kreuzweg wieder frei und erinnert an die Ursprungsjahre. Und so ist die Kirche St. Mariä Himmelfahrt wahrscheinlich eine der wenigen Gotteshäuser, die sich mit gleich zwei Kreuzwegen schmücken dürfen So spiegelt sich in der unkonventionellen Innengestaltung des „Mariendoms von Hückeswagen“, wie Küster und Organist Hans-Peter Arnold das Gotteshaus gerne nennt, auch die spannende Geschichte wieder. Kreativ und funktional wurde die Kirche den Bedürfnissen der Zeit angepasst.

Zum Schluss erzählt Otto noch die Anekdote vom Besuch des Erzbischofs Meisner, den das Taufbecken im Kirchenchor gestört haben soll. „De Waschbütt gehört nit ins Wohnzemmer“, sagte dieser halb ernst, halb scherzhaft. Dabei war auch die Platzierung des „Waschbeckens“ eine reine Vernunftsentscheidung: „Im Vorraum war es einfach zu kalt“, erklärt Willy Otto.

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