Hückeswagen Taxifahrer-Mord - Angeklagter zwischen sanft und wahnsinnig

Hückeswagen · Es ist, als wäre er nicht anwesend: Es ist der fünfte Verhandlungstag der Revisionsverhandlung gegen einen 24-jährigen gebürtigen Hückeswagener, der am 16. August 2015 auf dem Wipperfürther Marktplatz einen 63-jährigen Taxifahrer aus Much mit einem 15 Zentimeter langen Küchenmesser erstochen hat und tags drauf in Hückeswagen festgenommen worden war.

Der junge, unscheinbar wirkende Mann mit Glatzkopf wird von einem Justizbeamten zur Anklagebank gebracht, setzt sich neben seine Verteidigerin, senkt den Blick auf die Tischplatte und hebt ihn in den folgenden Stunden kein einziges Mal. Er verzieht keine Miene, zeigt keine Regung.

Gestern, zur Halbzeit der zehn angesetzten Verhandlungstage vor der 21. Großen Strafkammer am Landgericht Köln, wurden zwei Zeuginnen vernommen, die ein unterschiedliches Bild von diesem Mann zeichnen, der - ob juristisch im Sinne des Mordes oder des Totschlags, diese Frage muss das Gericht klären - einem Mann das Leben genommen hat.

Zum einen ist da die ehemalige Lebensgefährtin des Angeklagten, eine heute 52-Jährige aus Much. Sie hatte dort den wesentlich jüngeren Mann in einer Tankstelle kennengelernt, bei der sie damals gearbeitet hat. Der Kampfsport Kung-Fu war die gemeinsame Basis, über die sich die beiden austauschten und letztlich in einer intimen Beziehung näherkamen. "Ich hab's einfach zugelassen", lautet die lapidare Begründung der 52-Jährigen auf die Frage des Vorsitzenden Richters, was genau sie an dem knapp 30 Jahre jüngeren Mann angezogen hätte. Ihr sei jedoch schnell klar geworden, dass diese Beziehung keine Zukunft habe. "Der Austausch fehlte. Und immer, wenn ich etwas mehr über ihn erfahren wollte, hat er entweder abgeblockt oder ist aggressiv geworden", sagt die Zeugin.

Diese Aggression mündet zum Ende der sechs Monate währenden Beziehung in Tätlichkeiten des Angeklagten gegen die Zeugin. Die zweite, die dann auch zum Ende der Beziehung geführt hat, hat die 52-Jährige zur Anzeige gebracht: "Mir ging es damals aber nicht um Schadensersatz. Ich hatte den Eindruck, dass er in psychiatrische Behandlung gehört - da tickte etwas." Grund für diesen Eindruck seien seine extremen Stimmungsschwankungen gewesen: "Im einen Moment war er der kleine Junge, den kein Wässerchen trüben konnte, im nächsten war er wahnsinnig aggressiv und sah mich mit völlig irren Augen an", schildert sie ihre Erlebnisse. Besonders schlimm sei dieses Verhalten gewesen, wenn der Angeklagte getrunken oder andere Drogen konsumiert habe.

Anders war die Aussage der zweiten Zeugin, einer 54-jährigen Sozialpädagogin, die in Much eine Pension betreibt und den damals noch Jugendlichen zwischen 2010 und 2013 beherbergt und auch pädagogisch betreut hat: "Ich habe ihn als sehr sanften, ordnungsliebenden und humorvollen Menschen erlebt. Einen Träumer, der sich aber an alle Regeln gehalten hat." So etwa, keinen Alkohol zu trinken. "Mir gegenüber ist er niemals aggressiv gewesen, im Gegenteil: Er hat mich verteidigt und wohl in mir einen Mutterersatz gesehen", sagt die 54-Jährige. Nur einmal habe er die Regeln gebrochen: "Er war sturzbetrunken bei Nachbarn", sagt die Zeugin aus. In der Folge dieses Abends sei er vom Balkon im zweiten Stock gesprungen oder gestürzt. Danach sei er lange Zeit mit einem Schädelbasisbruch im Krankenhaus gewesen, in der Folge sei er schnell aus der Pension ausgezogen und habe eine eigene Wohnung und einen Job gefunden.

Während all diesen Schilderungen hebt der Angeklagte nicht ein einziges Mal den Kopf. Das Urteil wird für den 23. April erwartet.

(wow)
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