Hückeswagen Wunderbare Symbiose aus Melancholie und Fröhlichkeit

Hückeswagen · Klezmer, die aus dem Judentum stammende Volksmusiktradition mit Wurzeln im 15. Jahrhundert, ist diese ganz besondere Musik, die es spielerisch schafft, zwei extreme Pole in sich zu vereinen: Da ist auf der einen Seite eine fast greifbare Melancholie, die in den Texten und den meist in Moll gehaltenen Akkorden mitschwingt. Und auf der anderen Seite ertappt man sich beim Anhören dabei, dass die Beine zucken, die Füße mitwippen und man beinahe versucht ist, aufzustehen und mit den Mithörern wild ums imaginäre Lagerfeuer zu tanzen.

 Das Klezmer-Ensemble "Di Meydelekh" begeisterte mehr als 50 Zuhörer im Kultur-Haus Zach mit seinen ganz unterschiedlichen Klängen.

Das Klezmer-Ensemble "Di Meydelekh" begeisterte mehr als 50 Zuhörer im Kultur-Haus Zach mit seinen ganz unterschiedlichen Klängen.

Foto: jürgen moll

Denn fröhlich ist Klezmer ganz genauso, voller Lebensfreude, packender Rhythmen und mitreißender Melodien. Mittwochabend haben diese These 50 Klezmer-Freunde im gut gefüllten Kultur-Haus Zach beim Frühjahrskonzert des Klezmer-Ensembles "Di Meydelekh" der Musikschule und des Chores der VHS Wipperfürth überprüfen können. 16 Musiker waren auf der kleinen Bühne versammelt - der Chor hatte sich auf der Treppe platziert - und brachten mit Akkordeon, Geige, Cello, Querflöte, Saxofon und Klarinette Lieder aus Bulgarien und Russland sowie jiddische Tänze und Klezmermusik in ihrem Programm "Bublitschki" zu Gehör. Unter der souveränen Leitung von Stefanie Hölzle, die auch noch Gesang, Geige und Klarinette übernahm, mithin also absolut vollbeschäftigt war, waren es vor allem die flotteren Tänze und Lieder, die für große Begeisterung im Publikum sorgten.

Dabei ging es in den Texten keineswegs nur fröhlich zu: In den Liedtexten, die Hölzle in ihren Ansagen jeweils kurz nacherzählte, ging es oft genug um Trauer, Schmerz, Verlassenwerden, Not. Etwa in einem russischen Volkslied, das ein Ensemblemitglied stilecht mit Körbchen in der Hand und großem umgewickelten Wolltuch kostümiert auf Russisch vortrug: "Ich bin ein russisches Mädchen, mein Vater ist ein Säufer, die Mutter muss putzen, die Schwester ist eine Hure und der Bruder ein Taschendieb. Deswegen muss ich 'Bublitschki' verkaufen, kleine Gebäckstücke, aber keiner will sie haben. Also werde ich sie in der Kneipe für die Hälfte verschleudern..." lautete der Prolog, ehe das ganze Ensemble in ein weiteres Lied einstieg, das die Symbiose von Melancholie und Fröhlichkeit perfekt auf den Punkt brachte. Wie passend, dass der Korb mitnichten nur Requisite war, sondern in der Tat leckeres Gebäck enthielt, das in der darauffolgenden Pause "gegen ein paar Rublitschki" erworben werden konnte. Zwar waren es keine Original Bublitschki - denn da hatte die Bäckerei kein Rezept für - dafür aber sehr gute Salzbrezeln.

Neben den leidenschaftlich aufspielenden Instrumentalisten, kam immer wieder auch der Chor zum Einsatz, mal einfach die Musik unterstützend, dann aber auch wieder sehr lautstark und im Vordergrund stehend. Das brachte jede Menge Abwechslung ins ohnehin schon sehr kurzweilige Programm.

Und vielleicht war es neben der wunderbaren Musik das Schönste, zu sehen, wie viel Spaß die Musiker auf der Bühne hatten, und wie dieser lebendige Funke problemlos aufs Publikum übersprang, das begeistert pfiff und lautstark applaudierte. Und sich zwar von der Fröhlichkeit anstecken ließ, nicht aber von der Melancholie. Also ganz genau so, wie es sein muss.

(wow)
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