Hückeswagen Zukünftig nur noch pusten statt piksen?

Hückeswagen · Die Kreispolizeibehörde ist an einem Forschungsprojekt zu Blutproben beteiligt. Ziel ist es, dass in absehbarer Zeit auf Blutproben verzichtet werden kann.

 Wer von der Polizei mit dem Verdacht auf Alkohol am Steuer angehalten wird, muss in das Testgerät pusten. Zeigt das einen erhöhten Promillewert an, folgt derzeit noch in der Regel eine richterlich angeordnete Blutprobe. Das soll nach einer Testphase auf Oberbergs Straßen aber bald der Vergangenheit angehören.

Wer von der Polizei mit dem Verdacht auf Alkohol am Steuer angehalten wird, muss in das Testgerät pusten. Zeigt das einen erhöhten Promillewert an, folgt derzeit noch in der Regel eine richterlich angeordnete Blutprobe. Das soll nach einer Testphase auf Oberbergs Straßen aber bald der Vergangenheit angehören.

Foto: Polizei (Archiv)

Es ist ein bundesweites Forschungsprojekt der Hochschule der sächsischen Polizei, an dem die Beamten im Oberbergischen Kreis - wie die in 20 weiteren von insgesamt 47 Kreispolizeibehörden in ganz Nordrhein-Westfalen - für ein Jahr beteiligt sind. Die Frage, die die wissenschaftlich Studie klären soll: Kann die Polizei in Zukunft auch bei Straftaten darauf verzichten, nach einem Atemalkoholtest im Straßenverkehr dem Autofahrer auch noch eine Blutprobe zu entnehmen? Wann winken Polizisten einen Autofahrer zum Test raus?

Die klassische Vorstellung ist die vom Autofahrer, der aufgrund des Alkoholkonsums nicht mehr richtig fahren kann, deshalb in Schlangenlinien unterwegs ist und dabei beobachtet wird. Für Polizeisprecher Jürgen Dzuballe ist das aber die Ausnahme: "Die meisten Fahrer erwischen wir bei Kontrollen, zum Beispiel bei Stichproben. Oft abends und nachts an Stellen, an denen wir aus unserer Erfahrung damit rechnen." Wie wird der Atemalkoholtest vorgenommen?

Es gibt zwei Geräte, mit denen der Atemalkohol getestet werden kann - eines, das die Beamten vor Ort im Einsatz dabei haben, und eines, das auf der Polizeiwache steht. "Nur mit dem Gerät auf der Wache können wir eine echte Atemalkoholanalyse erstellen, die schon jetzt bei Ordnungswidrigkeiten vom Gesetzgeber als Beweis anerkannt ist", erläutert Dzuballe. Genau mit diesem Gerät sollen auch die zusätzlichen freiwilligen Tests im Zuge des Forschungsprojektes gemacht werden. Wann und wie wird eine Blutprobe entnommen?

Entscheidend dafür ist die Frage, ob eine Straftat oder eine Ordnungswidrigkeit vorliegt. Ab einem Wert von 1,1 Promille oder höher gilt der Autofahrer als "absolut fahruntüchtig" - damit besteht nach Paragraf 316 Strafgesetzbuch (StGB) der Verdacht einer Trunkenheit am Steuer. Ausschlaggebend ist auch dabei schon jetzt das Ergebnis des Atemtestes: Liegt der Wert bei der Kontrolle am Ort bei 1,1 Promille oder mehr, wird dem Beschuldigten durch einen Arzt auf der Wache eine Blutprobe entnommen - nach vorheriger richterlicher Anordnung. Gibt es Blutproben auch bei deutlich niedrigeren Promillewerten als dem Ergebnis des Atemalkoholtests?

"Ja", erklärt Polizeisprecherin Monika Treutler. "Nach Unfällen oder bei Ausfallerscheinungen des Fahrers am Steuer." In diesen Fällen könne das Verhalten des Autofahrers nämlich bereits bei Erreichen der Grenze von 0,3 Promille strafbar sein - sei es als Trunkenheit im Verkehr (§ 316) oder als Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c). Wie oft gibt es Blutproben in Oberberg?

2013 wurde in Oberberg nach Angaben der Polizei 230 Mal eine Blutprobe nach Kontrollen angeordnet und außerdem noch 129 Mal, weil geklärt werden sollte, ob Alkohol Ursache eines Verkehrsunfalls ist. 2014 waren es 220 angeordnete Blutproben, hinzu kamen noch 127 nach Verkehrsunfällen. Warum soll es in Zukunft keine Blutproben mehr geben?

Die Idee hat vor allem rechtsstaatliche Gründe; es gilt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. "Eine Blutprobe ist immer ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit, der sich heute vermeiden lässt", sagt NRW-Innenminister Ralf Jäger zu dem Projekt. Voraussetzung ist aber, dass ein Atemtest den gleichen Beweiswert für den Alkoholgehalt im Blut liefert wie die Analyse des Blutes. Wie funktioniert das Forschungsprojekt?

Während des Untersuchungszeitraums von einem Jahr sollen Beschuldigte, die von Polizisten bei Alkoholfahrten erwischt werden, gebeten werden, nach dem obligatorischen Atemtest freiwillig zwei weitere Atemtests abzugeben - einen vor und einen nach der Blutprobe. Kann das funktionieren?

Auf den ersten Blick erscheint zweifelhaft, dass jemand, der von der Polizei mit Alkohol am Steuer erwischt wird, anschließend freiwillig ein Projekt zum künftig vereinfachten Nachweis seines strafbaren Verhaltens auch noch unterstützt. "Ob es tatsächlich Autofahrer gibt, die sich in so einer Situation daran beteiligen, müssen wir natürlich erst einmal abwarten", sagt Monika Treutler. Was ist mit Drogen am Steuer? Auch dabei gibt es nach dem Vortest bei der Kontrolle auch eine Blutprobe. Wäre hier auch ein Abschied davon denkbar?

Das ist nicht Gegenstand des Forschungsprojektes, in dem es nur um den Alkoholtest geht. Was die Zahl der Blutproben angeht, liegen die nach Kontrollen wegen Drogenverdachts allerdings inzwischen in Oberberg sogar vorne. 2014 waren es nach Angaben der Polizei 330 - und damit 100 mehr als nach Alkoholkontrollen. Zudem gab es 17 Blutuntersuchungen, in denen Drogenkonsum nach Unfällen geklärt werden sollte.

(RP)
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