Hünxe-Bruckhausen Das Drama auf dem Rotthaus-Hof

Hünxe-Bruckhausen · Michael Lücking gehört zu einer Gruppe von Hünxern, die sich vorgenommen hat, die Ortsgeschichte von Bruckhausen wach zu halten und dazu Zeitzeugen zu befragen. Die Geschichte von Rotters Fritz.

 Erna und Fritz Benninghoff fühlen sich wohl auf dem Rotthaus Hof in Hünxe-Bruckhausen.

Erna und Fritz Benninghoff fühlen sich wohl auf dem Rotthaus Hof in Hünxe-Bruckhausen.

Foto: ML

Nicht ohne Stolz zeigt Friedrich Bernhard Benninghoff auf die Inschrift über dem Haupteingang seines Wohnhauses auf dem Rotthaus-Hof in Bruckhausen: "Gerhard Berger 1871 Anna Benninghoff". Friedrich, von alt eingesessenen Bruckhausern auch gerne Rotters Fritz genannt, bewirtschaftete den Hof bis vor einigen Jahren in dritter Generation. Doch der Reihe nach.

Friedrichs Vater, Paul, vom Meesenhof in Bruckhausen stammend, heiratete 1927 die auf dem Rotthaus-Hof lebende Wilhelmine Mölleken, geborene Möllmann. Der Ehe entsprossen vier Kinder: Friedrich, Paul jun., Helmut und Elisabeth. Paul machte durch die Heirat eine sogenannte gute Partie, handelte es sich doch um einen stattlichen Vollerwerbshof mit dem üblichen Tierbestand und großem Besitz an Ackerflächen, Weiden und Wald. Vier Arbeitspferde taten täglich ihren Dienst. Ehefrauen der Bergleute in Lohberg halfen bei der Kartoffel- und Rübenernte. Als einer der ersten Landwirte kaufte Paul 1940 einen Traktor der Marke Lanz Bulldog.

Sohn Friedrich, noch keine 17 Jahre alt, wurde im Januar 1945 als Soldat vereidigt, geriet jedoch bald in Gefangenschaft. Nach einigen Wochen in einem Lager bei Ostende (Belgien) ging es für ihn zurück in ein Lager bei Goch am Niederrhein. Kurze Zeit später wurde er entlassen und erreichte von Dinslaken aus zu Fuß den elterlichen Hof in Bruckhausen. Schön, wieder zu Hause zu sein. Doch die Ernüchterung folgte brutal.

Auf dem Hof hatte sich 14 Tage zuvor, am 13. Mai 1945, ein Massaker ereignet. Vater Paul, Bruder Paul sowie zwei weitere Männer waren von marodierenden Banden auf dem Hof erschossen worden. Während die Frauen mit den kleineren Kindern die Nächte bei Familien im Ort Bruckhausen verbrachten, um vor sexuellen Übergriffen sicher zu sein, hatten die fünf Männer auf einem Heuboden Unterschlupf gesucht. Zwangsarbeiter, vornehmlich aus osteuropäischen Ländern, gingen nachts auf Beutezug. Vater Paul und sein gleichnamiger Sohn stiegen morgens die Leiter hinab, um das Vieh zu füttern. Beide, sowie zwei weitere Männer, wurden auf der Stelle erschossen. Ein Überlebender mit stark blutenden Gesichtswunden schleppte sich in den Ort, um die furchtbare Nachricht zu überbringen. Polizeiliche Ermittlungen zwecks Festsetzung der Täter fanden nicht statt.

Nun war es also an Friedrich, gerade einmal 16 Jahre alt, der Mutter und den beiden jüngeren Geschwistern das Überleben zu sichern. Zwar fehlten zehn Tiere im Stall, doch die Gebäude waren unversehrt. Noch im selben Jahr besuchte Friedrich mit 49 anderen Jungbauern die Landwirtschaftsschule in der heutigen Gaststätte Freesmann in Dinslaken-Eppinghoven. Solide ausgebildet gelang es Friedrich, den Hof aufrecht zu erhalten.

Im Jahr 1955 ehelichte Friedrich eine junge Frau aus Hünxe-Gartrop Bühl, Erna Sardemann. Sie schenkte ihm vier Kinder: Paul, Wilfried, Renate und Ralf. Vor einigen Jahren, inzwischen 65 Jahre alt, übergaben Friedrich und Erna den Hof an ihren Sohn Wilfried. Früh schon beteiligte sich Friedrich am Aufbau einer Löschgruppe der Feuerwehr Bruckhausen. Nach dem Tod des Kommandanten Ewald Cotta übernahm er für 20 Jahre das Amt des Wehrführers der Löschgruppe Bruckhausen. In Bruckhausen ist es guter Brauch, an der Haustür eines Brautpaares durch die Nachbarschaft einen Fichtenkranz von 10 bis 12 Metern Länge anzubringen. Rotters Fritz ist gern dabei und startet seinen alten kleinen Trecker um mit den Männern im eigenen Busch Tannengrün zu holen. Ein gut gefülltes Weidenkörbchen darf dabei nicht fehlen. Ein gemütlicher Umtrunk nach getaner Tat rundet die Aktion ab. "Hoch lebe das junge Brautpaar!" "Na, denn Prost allerseits!"

(RP)
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