Hünxe/Wesel Ehrliche Autoanzeige wird ein Internethit

Hünxe/Wesel · "Einer der ungepflegtesten Kleinwagen in ganz NRW": Schonungslos offen hat Jordi Mertens in der Facebookgruppe "Wesel Kleinanzeigen" seinen alten Twingo angeboten. Er bekam mehr Geld als erhofft.

Hünxe/Wesel: Ehrliche Autoanzeige wird ein Internethit
Foto: Jordi Mertens

Jordi Mertens (20) glaubt jetzt noch fester daran, dass Ehrlichkeit eben doch am längsten währt. Als er den Verkauf seines alten Renault Twingo plante, da wollte er nicht wie üblich bei Facebook die Vorzüge seines Wagens loben, nur um einen Käufer zu finden. Der junge Mann aus Hünxe-Drevenack schrieb einen Text, der keinen einzigen Makel dieser alten Rostlaube verschweigt. Er berichtet von allen Beulen, von einem "widerlich schwammigen Fahrwerk" und von "ekeligen Geräuschen" des Motors. Weiter heißt es in der Anzeige: "Der Wagen bekommt Sprit und ab und zu 'nen Tritt, und das reicht dem." Diesen Text lud er bei Facebook in der Weseler Kleinanzeigen-Gruppe hoch und harrte der Dinge. 100 Euro verlangte er noch für die Rostbeule - fünf Prozent Rabatt für Leute, die ihm einen gültigen Studentenausweis vorlegen. Am Ende habe er sogar 150 Euro damit eingenommen, in Oberhausen habe sich ein Käufer gefunden, berichtete Mertens glücklich.

Noch mehr überrascht als der Verkaufspreis hat den früheren Schüler des Andreas-Vesalius-Gymnasiums Wesel allerdings die Reaktion der Leute im Internet. Am vergangenen Dienstag um 13.36 Uhr stellte er seinen Text ins Netz. Schnell gab es bei Facebook die ersten "Gefällt mir"-Klicks - weil der junge Mann eben nicht in der blumigen Anzeigensprache all die Vorzüge lobte, sondern schonungslos von den Tücken berichtete. "Ich hätte nicht mit einer so hohen Reaktion auf meine Anzeige gerechnet", sagt Mertens. "Mit der Anzeige wollte ich bewusst Selbstironie und Spaß in den Vordergrund stellen. Ich selbst bin schon beim privaten Autokauf auf versteckte Mängel hereingefallen und ich denke, damit bin ich nicht alleine."

Der Drevenacker absolviert ein duales Studium, lebt zeitweise in Drevenack und dann wieder in Hessen. Für die Fahrten diente ihm sein Twingo als treuer Begleiter. 30.000 Kilometer sei allein er mit dem Wagen gefahren. 160 Kilometer Arbeitsweg habe er. 1200 Kilometer am Tag verkrafte der Twingo noch ohne Probleme, schreibt Mertens in der Anzeige, in der der Student auch seine humoristische Ader auslebt. "Rost hat der Gute leider gar keinen, das würde der restlichen Optik nämlich eigentlich gut stehen", schreibt er an einer Stelle. An einer anderen heißt es: "Die Bordausstattung umfasst neben dem ganzen Müll und den Beulen, welche sich angesammelt haben, auch elektrische Fenster und eine Servolenkung." Auch die Fotos machen eigentlich wenig Lust auf den Wagenkauf. In undefinierbarem Grünton erscheint der Twingo, Baujahr 1998, dort. Zu allem Überfluss ist er noch mit Edding beschriftet. "Daily Car" steht an einer Stelle.

Mertens ist leidenschaftlicher Autoschrauber, in der Tuningszene aktiv. Er baue sich seine Fahrzeuge am liebsten selbst, berichtet der junge Drevenacker. "Zusammen mit meinen Freunden investiere ich viel Zeit und Geld in Autos." Im Alltag könne er diese Autos aber nicht einsetzen, so dass privat ein kleines bezahlbares Auto her musste. In der Gruppe "Wesel Kleinanzeigen" kaufte er Anfang des Jahres einen verunfallten Twingo und reparierte ihn. "Der Zustand war leider beim Kauf schon echt miserabel, aber er tat seinen Zweck: Er fährt", sagt Mertens. Als er mit dem Wagen auf dem ADAC-Testgelände unterwegs war, habe der Twingo die Tortur gut überstanden.

Einen neuen Wagen hat sich Mertens schon gekauft - vom Schrott. Wieder hat er selbst dran geschraubt und ihn jetzt erfolgreich zum TÜV gebracht.

(RP)
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