Hünxe Kleine Verbeugung vor Otto Reutter

Hünxe · Der Duisburger Schauspieler und Rezitator Georg Adler trägt in der Gaststätte Rühl humorvolle Gedichte und Geschichten aus längst vergangener Zeit vor.

 Niederrheinische Kaffeetafel und Texte von Otto Reutter - eine perfekte Kombination.

Niederrheinische Kaffeetafel und Texte von Otto Reutter - eine perfekte Kombination.

Foto: Heiko Kempken

Heimlich ging er nach der Arbeit zur Theaterprobe, trat am Wochenende auf und Mario Adorf riet ihm: "Sitze nicht und warte auf ein Fernsehangebot, mach immer was!" Im schwarzen Frack mit Weste und Hut, ganz im Stil des Künstlers Otto Reutter (1870-1931), brachte der Schauspieler und Rezitator Georg Adler am Sonntagnachmittag in der Gaststätte Rühl das zahlreich erschienene Publikum mit ausgewählten Texten zum Schmunzeln.

"Dialekte sprechen ist etwas Schönes", sagt Adler und betont, "heute ham wa einen janz hervorragenden Künstler dabei". Und in der Tat: Otto Reutter, Schauspieler, Sänger und Varietékünstler, hatte ein ereignisreiches Leben. Er war politisch von der Zeit des beginnenden 21. Jahrhunderts geprägt, und manch ein Ereignis des Tages fand sich am Abend in einem seiner mehr als 1000 selbst geschriebenen Couplets (zweideutige politische und satirische Lieder) wieder.

Bekannt ist der Titel "Der Blusenkauf", humoristisch von Adler vorgetragen, bei dem es über die Unentschiedenheit der Frau beim Kleiderkauf geht. Derweil ihr Mann "matt wird vor dem Haus", weil sie sich für keine der Farben entscheiden kann, nimmt sie am Ende die schwarze Bluse für seine Beerdigung.

Diese und andere unvergessenen, teils im Sprechgesang rezitierten Texte, zeigen Adler als Entertainer der alten Schule. Und schon Otto Reutter wusste das Publikum seiner Zeit mit den frechen Reimen zu begeistern. Warum also nicht einmal auf dem Dachboden der Großeltern nach einer der Schellackplatten forschen, die damals aufgenommen wurden, wie zum Beispiel das Gedicht "Der Überzieher". Aufgeführt 1926 im berühmten Varietétheater Wintergarten am Potsdamer Platz in Berlin, erzählt es die humorvolle Geschichte des Herrn Fichte, der vergeblich darauf achtet, dass sein Mantel im Gasthaus nicht gestohlen wird.

"Für unsere Generation war es eine eher ungewöhnliche Zeit", sagt Marion Blümer, die mit ihrer Freundin Brigitte Schwolow gekommen ist. Die Veranstaltung hatten sie im VHS-Programm gesehen und ihren Ehemännern zu Weihnachten geschenkt.

Zugegeben: Die Texte und Lieder sind an diesem Nachmittag fast 100 Jahre alt, aber Gültigkeit haben sie auch heute noch. "Was machen die Menschen mit ihrer Zeit, alles macht der Mensch mit der Uhr in der Hand", wagt Adler zu behaupten. Man müsse jeden Tag etwas machen, das halte fit. Sein Repertoire besteht aus mehr als 40 Programmen. Mit Reutter verbindet ihn viel, sagt er. Ihre Biografien ähneln sich sehr, deshalb trägt Adler die Lieder so authentisch vor. Deftig, witzig und komisch. Zwei Urgesteine. "Ich vermisse die Bühne", verrät Adler. "Ich werde nächstes Jahr erst 80 und will noch viel machen!"

(RP)
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