Jüchen Allround-Künstler und Baumflüsterer

Jüchen · Natur, Traum, Leben, Kunst – so lautet der Untertitel seines Buches. Der Bildhauer Wolfgang Kliege lebt nach dieser Devise in Wallrath. Aktuell konzentriert sich der Heinrich-Heine-Förderpreisträger auf seine nächste Ausstellung.

 Wolfgang Kliege mit seinem Objekt "Die Ohren des System" im vergangenen Jahr. Das Material für die Installation lieferte der gefällte Holunderbaum aus seinem Garten, den er mit Holzlöffeln versehen hat.

Wolfgang Kliege mit seinem Objekt "Die Ohren des System" im vergangenen Jahr. Das Material für die Installation lieferte der gefällte Holunderbaum aus seinem Garten, den er mit Holzlöffeln versehen hat.

Foto: Lothar Berns

Natur, Traum, Leben, Kunst — so lautet der Untertitel seines Buches. Der Bildhauer Wolfgang Kliege lebt nach dieser Devise in Wallrath. Aktuell konzentriert sich der Heinrich-Heine-Förderpreisträger auf seine nächste Ausstellung.

Wie ein kleines Museum präsentiert sich das Haus von Wolfgang Kliege in Wallrath. Im Haus verteilt sind seine Kunstobjekte — nicht überbordend oder aufdringlich, zurückhaltend vielmehr — und sie geben einen Einblick in das Lebenswerk des 1939 geborenen Bildhauers. Zeichnungen aus seinen Anfangszeiten, auf Keilrahmen gespannte Packdecken aus den 1970er Jahren und schließlich die raumgreifenden Skulpturen und Objekte für seine nächste Ausstellung in der Kölner Krings-Ernst-Galerie.

Die Packdecken verraten, dass ihn die Begegnung mit dem Minimalismus und der Arte povera wesentlich beeinflusst hat: "Vom Minimalismus die Einfachheit der Form, von der Arte povera die Bescheidenheit des verwendeten Materials", so beschreibt es Marie Luise Syring. In ihr, seiner Lebensgefährtin, hat er sein kunsthistorisches Pendant gefunden. Sie arbeitete in der Kunsthalle Düsseldorf, deren Direktorin sie bis 2001 gewesen ist. Heute ist sie Präsidentin des Internationalen Kunstkritikerverbands AICA.

Aktuell konzentriert sich Kliege auf seine nächste Ausstellung "Seltene Erden", die im November in Köln eröffnet: Die Decke "Draa", eine Ziegendecke, wird zu sehen sein. Er hat sie von einem Hirten gekauft, zu Hause verformt, das Streifenmuster gebogen und sie als Gemälde aufgehängt. "Dahinter steckt die Idee von Wandern, Wärme und Geborgenheit", erläutert Kliege. Ein Zimmer weiter steht eine Lore auf Schienen. "Seltene Erden, der Erdklang" heißt diese Installation. Dass die Erde mit bestimmten Eigenfrequenzen brummend durchs Weltall zieht, hat ihn dazu inspiriert. Diesen Erd-Ton versucht der Bildhauer mittels Becken und Schlägel zu treffen. Lange hält der Resonanzkörper den Ton fest. Man möchte der Lore wünschen, dass sie den Weg in ein großes Museum findet.

Man wird Kliege längst nicht gerecht, ihn nur als Bildhauer zu bezeichnen. Er hat sich auch als Do-kumentarfilmer und Autor einen Namen gemacht. 2009 erschien sein Buch "Schürfstelle" mit ebenso feinsinnigen wie humorvollen, überwiegend autobiographischen Essays. Im Moment arbeitet er an seinem nächsten Buch mit "Dis-kussionsgedichten"; einer Mischung aus Alltagsgesprächen, Aktuellem, Erlebten und Legenden. Politisch seien seine Arbeiten, betont Kliege, immer wieder. So wie die "Ohren des Systems". Das Material für die Installation lieferte der gefällte Holunderbaum aus seinem Garten, den er mit Holzlöffeln versehen hat. Sollten sie zuerst an Satellitenschüsseln erinnern, mit denen der Mensch die Welt be-lauscht, hat die Installation im Zuge der NSA-Affäre eine Doppelbödigkeit erlangt: Die Welt belauscht uns. Der Baum sei einverstanden gewesen, zur Kunst zu werden, sagt Kliege augenzwinkernd, er habe ihn schließlich vorher abgehört.

(RP)
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