Jüchen Die Schulgeschichte von Wallrath als Buch

Jüchen · Seit Gründung der katholischen Schule 1873 haben deren Lehrer eine Chronik geführt. Sie verrät mehr über Alltag und Außergewöhnliches.

Wetterberichte, die für den Ernteertrag unverzichtbar waren. Einträge über den Ausbruch von Keuchhusten, über das Verlegen der ersten Gas- und Wasserleitungen, über eine prächtige Hochzeit auf Dyck oder einen beeindruckenden Zeppelin, daneben der Ausbruch zweier Weltkriege: Wer mehr über die alltäglichen und außergewöhnlichen Ereignisse im 200-Einwohner-Dorf Wallrath erfahren möchte, kann dies in der neuen "Chronik der Wallrather Schule" nachlesen. Bernhard Mockel (61), Kassierer des Geselligkeitsvereins Wallrath, hat fünf Kladden aus den Jahren 1873 bis 1967 überarbeitet, die 20 Lehrer verfasst haben. Die Abschriften hat er mit Fotos und Informationen aus Gesprächen mit Zeitzeugen oder Friedrich Schmitz vom Geschichtsverein Grevenbroich ergänzt. "Durch das Buch konnte Wissen erhalten werden, das verloren gegangen wäre", so der Herausgeber.

Bis zu 106 Kinder lernten ab 1873 in der katholischen Volksschule - im alten Gebäude noch in einem Raum. Ihre Eltern lebten in Wallrath, Rath oder Schlich. "Die Schule im Ort war für die Kinder ein Segen", sagt Mockel. Nur mit Pferd und Wagen wäre für sie der Unterricht schwer erreichbar gewesen. Für die Genehmigung der Schule mussten die Wallrather bei der Königlichen Regierung in Düsseldorf kämpfen, nachdem die Gemeinde ihr Ansinnen zuvor abgelehnt hatte.

Dass die Chroniken nicht nur den Alltag im Dorf beschreiben, sondern bis in die Wohnzimmer der Wallrather reichten, das stellte Bernhard Mokel selbst fest: Er fand Einträge, die sich auf die US-Gefangenschaft seines Vaters nach dem Zweiten Weltkrieg oder einen vermissten Onkel beziehen, dessen Stimme ein befreundeter Gastwirt im russischen Rundfunk gehört hatte. Zudem stieß Mockel auf eine Familie aus Wallrath, die drei Söhne im Krieg verlor: "Das sind Schicksale, die berühren", so der Wallrather.

Begonnen hat der Herausgeber die Arbeit vor rund einem Jahr - fast hätte er die Abschriften der Bücher vergessen, die Lehrersohn Robert Bleske ihm vor dem Tod gegeben hatte. "Im vergangenen Jahr fielen mir diese Aufzeichnungen erneut in die Hände", erzählt Mockel. Er nahm Kontakt zum Gemeindearchivar Dr. Axel Bayer auf, sah die 500 Seiten ein, kopierte sie und tippte sie ab. Nachdem er das Material gesammelt hatte, bearbeitete er es auf: Bereits das Lesen der teils eng in Sütterlin beschriebenen Seiten war eine Herausforderung. "Nicht jeder Lehrer hatte eine ordentliche Handschrift", sagt Mockel, der in der Schule noch Schönschrift lernte.

Bei den einzelnen Einträgen hat er die Namen hervorgehoben und sie durch Fotos ergänzt. Dabei sei es schwierig gewesen, die Namen der Fotografierten zu erfahren; nicht jeder habe sich als Kind wiedererkennen können. Über die "Dienststelle für die Benachrichtigung von Gefallenen der ehemaligen deutschen Wehrmacht" hat Mockel Daten gesammelt zu den Kriegsopfern, deren Namen auf beiden Denkmälern verzeichnet sind. Dennoch: Manche Fragen bleiben unbeantwortet.

(NGZ)
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