Jüchen Interview: Wir haben keine Alternative zum Sparkurs

Jüchens Bürgermeister Harald Zillikens spricht über das Insolvenzverfahren bei Polo und wer alles mit Einschnitten rechnen muss.

Bereitet Ihnen Ihr Amt im Moment mehr Lust oder Frust?

Harald Zillikens Es gibt sicher Rückschläge und schwierige Situationen. Zum Beispiel die Haushaltslage, die sich erst im November erkennbar so negativ entwickelt hat. Das sind aber auch Aufgaben, denen man sich stellen muss.

Was sind für Sie die guten Nachrichten des Jahres?

Zillikens Die positiven Entwicklungen bei der Ansiedlung von Unternehmen, auch im Regiopark, und die erfolgreiche Vermarktung von Wohnbauland. Und wir haben die Maßnahmen aus dem Konjunkturpaket II, die Sanierung der Schulen und des Jüchener Hallenbads, zügig abgeschlossen.

Die Stärkung als Wirtschaftsstandort war Ihr Ziel bei Amtsantritt. Die letzten schlechten Nachrichten müssen Sie daher getroffen haben.

Zillikens Ja. Der Rückgang der Gewerbesteuer war unverhofft und heftig. In den drei Jahren zuvor war die Entwicklung deutlich positiv. Das zeigt unsere Abhängigkeit von der Gewerbesteuer. Deshalb müssen wir uns weiter bemühen, Unternehmen hier anzusiedeln. Das gilt auch in der Nachfolge für den langsam abwandernden Tagebau. Deshalb planen wir ein neues Gewerbe- und Industriegebiet mit Grevenbroich und RWE auf der bereits rekultivierten Fläche.

Wie beobachten Sie den Insolvenzprozess bei Polo?

Zillikens Die Sorge um die Arbeits- und Ausbildungsplätze steht natürlich im Vordergrund. Wir sind alle der Hoffnung, dass es am Standort Jüchen weitergeht und Polo gestärkt aus der Insolvenz hervorgeht.

Polo ist zentraler Baustein der Motorradmeile. Wie wichtig wäre es für Jüchen, dass Polo weiterbesteht?

Zillikens Sehr wichtig. Wegen der vielen Arbeits- und Ausbildungsplätze, wegen der Gastronomie, die das kulturelle Leben stark prägt. Polo ist ein bedeutender Werbefaktor für uns. Jüchen ist durch Polo bundesweit bekannt geworden. Wenn es bei Polo weitergeht, arbeiten wir an am Konzept Motorradmeile weiter.

Im Haushalt fehlen neun Millionen Euro. Was sind die für Sie verträglichen Sparmaßnahmen?

Zillikens Das sind alles Dinge, die man nicht gerne macht und die zum Teil sogar kontraproduktiv sein können, wie zum Beispiel der höhere Gewerbesteuersatz. Unser Ziel ist es aber, innerhalb des Planungszeitraums von zehn Jahren einen ausgeglichenen Haushalt darzustellen. Ich wehre mich dagegen, wenn einige sagen: Gut, dann sind wir eben irgendwann pleite. Ich sehe keine Alternative zum vorgeschlagenen Sparkurs.

Was erwarten Sie in der Diskussion?

Zillikens Es wäre fatal, wenn man einzelne Bereiche wie Sport oder Kultur, Bildung oder Soziales gegeneinander aufrechnet. Es muss überall gespart werden, und wenn es nur kleine Beträge sind. Standards in der Grünpflege können nicht überall gehalten werden. Vereine müssen mehr in die Pflicht genommen werden, wir haben den Neujahrsempfang abgesagt, alle freiwilligen Leistungen werden genau untersucht. Alles kommt auf den Prüfstand. Wir können uns nur noch erlauben, was absolut notwendig ist.

Kann die Verwaltung noch mehr einsparen?

Zillikens Nein. Die Einsparmöglichkeiten, auch im Personalbereich, sind weitgehend ausgeschöpft. So wäre es vollkommen falsch, bei der Wirtschaftsförderung zu sparen. An anderen Stellen sind wir gezwungen, zu investieren. Für das Bildungs- und Teilhabepaket mussten wir eine halbe Stelle schaffen, aber die Sachkostenerstattung deckt das nicht. Für die Sekundarschule müssen wir die Hauptschule Hochneukirch barrierefrei machen. Das sind Dinge, die uns vorgegeben werden, ohne die Kosten zu übernehmen.

Wie viel soll gespart werden?

Zillikens Ein gut sechsstelliger Betrag und künftig ein Betrag im Millionenbereich muss das Ziel sein.

Sie wollen den Solidaritätszuschlag für ostdeutsche Kommunen streichen.

Zillikens Seit 1992 haben wir 7 Millionen Euro gezahlt und bis 2019 werden wir wohl weitere 3,5 Millionen zahlen müssen. Das tut uns weh. Ich halte diese Zahlung nicht mehr für gerechtfertigt. In den neuen Bundesländern haben die Kommunen, im Gegensatz zu uns, vielfach keine finanziellen Sorgen mehr.

Was wünschen Sie der Gemeinde und den Bürgern für 2012?

Zillikens Den Bürgern wünsche ich Glück, Zufriedenheit und vor allem Gesundheit. Der Gemeinde wünsche ich, dass wir Jüchen als attraktiven Standort weiterentwickeln, den Schulstandort stärken und dass Polo uns erhalten bleibt.

Das Gespräch führte Andreas Gruhn.

(RP/jul)
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