Jüchen "Ketzerische" Fragen zu Geschlechter-Klischees

Jüchen · Auf Anregung des Jüchener Schulausschusses will das Kreisgesundheitsamt versuchen, bei der Einschulungsuntersuchung auch nach der Schulbildung der Väter zu fragen. Bislang wird nur nach dem Beruf des Vaters und der Schulbildung der Mutter gefragt.

Wenn in Deutschland etwas den Stempel einer wissenschaftlichen Studie trägt, dann "muss es ja wahr sein" - oder? Mal sehen, ob sich der Ausschuss für Schulen, Kultur und Sport der Gemeinde Jüchen bei seiner nächsten Sitzung am 9. Juni so einfach abspeisen lässt. In der vergangenen Sitzung hatte es die "ketzerische" Nachfrage gegeben, weshalb bei der statistischen Auswertung des Kreisgesundheitsamtes über die Untersuchungsergebnisse der Schulneulinge in Jüchen nach der Schulbildung der Mutter, aber nicht des Vaters gefragt wird?

Diese berechtigte Frage blieb zunächst mal unbeantwortet sozusagen im Ratssaal stehen. Doch die Gemeindeverwaltung fragte nach beim Kreisgesundheitsamt. Das teilt nun mit: "Gemäß wissenschaftlicher Studien haben bei einer Progose der Entwicklung des Kindes die Schulbildung der Mutter und die Berufstätigkeit des Vaters die höchste Ausdruckskraft": Zitat Ende! Nicht ganz: Das Kreisgesundheitsamt will versuchen, ab dem nächsten Schuljahr auch nach der Schulbildung des Vaters zu fragen. Und außerdem liege alles an der Software des Landesjugendministeriums, die ebendiese Fragen vorgebe.

Das kann der Jüchener Schulausschuss nun zur Kenntnis nehmen, muss es aber nicht - und eigentlich auch nicht unbedingt wohlwollend. Vielmehr könnte sich nun mindestens eine erst recht ketzerische Frage anschließen: Welche Entwicklungsprognosen gibt es denn für die i-Dötzchen, wenn Mutter berufstätig ist und Vater zwar Akademiker, aber arbeitslos? Oder anders: Wie sieht die statistische Wahrscheinlichkeit für die Schulreife von Chantal oder Kevin aus, wenn Mutter hochgebildet ist, aber zu Hause bleibt und Vater ohne weiterführende Bildung wie auch immer "die Kohle" nach Hause bringt?

Bei dieser Kombination dürfte der hoffnungsfrohe Nachwuchs sich wahrscheinlich ein Vorbild am Vater nehmen, der es ohne große Bildung zu materiellem Wohlergehen geschafft hat. Da wäre Mutters Bildung dann eher hinderlich. Aber: Vorsicht Ironie!!! Und nun im Ernst: Dennoch ist die Vorschuluntersuchung - mal abgesehen von ihren merkwürdigen Rollenklischees - schlichtweg unerlässlich: Denn sie dient der Früherkennung von Lernbehinderungen oder gesundheitlicher Beeinträchtigungen. "Für entwicklungsverzögerte oder behinderte Kinder werden den Eltern Möglichkeiten der Hilfe, gezielter Förderung, der Schulart und gegebenenfalls der Integration in die Regelschule aufgezeigt", sichert das Kreisgesundheitsamt zu.

Und das gilt - ohne Frage - für beide Geschlechter gleichermaßen!

(NGZ)
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