Jüchen Kleiderkammer ruft den Notstand aus

Jüchen · Bis zu 80 Flüchtlinge stehen jede Woche vor der Kleiderkammer. Doch Unternehmen spenden kaum noch, weil sie Steuern zahlen müssen.

 Malteserhelfer Ernst Pietschner (vorne) und Ortsbeauftragter Daniel Bönnen schildern die Nöte der Kleiderkammer Jüchen.

Malteserhelfer Ernst Pietschner (vorne) und Ortsbeauftragter Daniel Bönnen schildern die Nöte der Kleiderkammer Jüchen.

Foto: Lothar Berns

Zusehends in Bedrängnis gerät die Kleiderkammer, die in Jüchen von den Maltesern betrieben wird. Seitdem immer mehr Flüchtlinge auch in die Gemeinde Jüchen strömen, reichen die Bekleidungs- und vor allem Schuhspenden nicht mehr aus: Das beobachtet Ernst Pietschner, der sich ehrenamtlich um die Sachspendenakquise bei Unternehmen in der Region kümmert. "Früher standen donnerstags zur Kleiderausgabe 20 bis 30 Sozialschwache aus der Gemeinde vor der Türe, seit Herbst vergangenen Jahres sind es jeden Donnerstag 70 bis 80 Flüchtlinge", berichtet der Helfer.

Und die Flüchtlinge kämen wirklich in einem armseligen Zustand, berichtet der 71-Jährige und schildert ein besonders drastisches Beispiel: "Eine ältere Dame kam ohne Schuhe, aber mit vier Paar zerfetzten Socken in die Kleiderkammer. Sie hatte auf ihrer Flucht seit Athen keine Schuhe mehr an den Füßen gehabt. Und dann stehen wir da und haben auch keine Schuhe für sie", sagt Pietschner ebenso traurig wie wütend. Abhilfe wäre möglich, wenn das Steuergesetz nicht im Wege stünde, meint er. Der Malteser-Helfer hat deshalb einen politischen Feldzug begonnen - mit dem Ziel, dass soziale Sachspenden den Unternehmen nicht mehr steuerlich als Umsätze angerechnet werden. Denn das Vernichten der Ware sei um ein Vielfaches billiger, als zu spenden und auf zwei Dritteln der Umsatzsteuer "sitzenzubleiben."

"Das verprellt die Unternehmen, sie spenden nicht mehr. Und seitdem die Flüchtlinge da sind, bekommen wir das umso schmerzlicher zu spüren", beklagt auch Daniel Bönnen, der Ortsbeauftragte der Malteser in Jüchen. Wie absurd die Situation sei, lasse sich gerade am eklatanten Schuhmangel in der Kleiderkammer darstellen: "Da haben wir in der Nähe einen riesigen Logistikstandort. Der vernichtet aber lieber Mengen von Schuhen, nur weil sie vielleicht nicht mehr modern sind, statt sie zu spenden", sagt Pietschner und fügt hinzu: "Die Unternehmen werden aber vom Steuergesetzgeber regelrecht zu solch einem Verhalten gezwungen." Man könne ihnen nicht mal böse sein.

Doch Pietschner gibt die Hoffnung nicht auf, diesem von ihm als Wahnsinn empfundenen Desaster entgegenzutreten. "Das ist ein Problem, das nicht nur wir haben", ist sich auch Bönnen sicher. Deshalb will der Malteser-Ortsbeauftragte nun Verbündete bei den Paritätischen Wohlfahrtsverbänden in der Region suchen. "Und ich bin für die Politik zuständig", nimmt sich Pietschner vor. Den FDP-Bundesvorsitzenden und Landtags-Chef, Christian Lindner, habe er bereits angeschrieben: "Lindner hat sogar innerhalb von zwei Stunden geantwortet und steht positiv unserer Initiative entgegen", meint der Malteser-Helfer und kündigt an: "Mein nächstes Schreiben geht an Armin Laschet, und dann kommt die SPD an die Reihe." Vielleicht klappt's dann ja auch mit Schuh- und sonstigen Sachspenden für die Kleiderkammer und für die Flüchtlinge, die auf Socken nach Jüchen kommen.

(NGZ)
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