Umfrage Was Parteien in Jüchen bewegen wollen
Im Gemeindeetat klafft ein 1,98 Millionen-Euro Defizit. Wie wollen Sie die Haushaltslage in den nächsten Jahren verbessern?Norbert Esser (CDU): Das Haushaltsdefizit kann 2014 auf unter zwei Millionen Euro verringert werden. Ziel ist es weiterhin, den Gemeindehaushalt im Rahmen des Haushaltssicherungskonzepts bis 2019 auszugleichen, neben einer kontinuierlichen Tilgung der Altschulden. Dazu ist, neben den eingeleiteten Sparmaßnahmen, eine Verbesserung der Steuereinnahmen durch Steigerung der Einwohnerzahlen und der weiteren Ansiedlung von attraktivem Gewerbe ein wesentlicher Faktor, um dieses Ziel zu erreichen.
Holger Tesmann (SPD): Wir müssen Aufwendungen verringern bei Energiekosten, Zuwendungen und Gebührensubventionen. Zudem wird die Gemeinde künftig entlastet, da Bund (bei Grundsicherung und Eingliederungshilfe) und Land (Inklusion) Kosten übernehmen. Wichtig ist zudem, die Erträge zu steigern – durch Gewerbeansiedlung (Gewerbesteuer) und familienfreundliche Zuzugspolitik (Einkommensteuer). Dies bedarf einer Entwicklungsstrategie ohne Zielkonflikte, für die die notwendige Planungskapazität bereitgestellt werden muss. Eine Erhöhung der Gemeindesteuern lehnen wir ab.
Konrad Thelen (FDP): Die Haushaltslage ist langfristig ohne Einnahmensteigerung nicht zu verbessern. Eine weitere Erhöhung der Grundsteuern und des Gewerbesteuerhebesatzes lehnen wir ab. Als Hoffnung bleibt die Aussicht auf Erhöhung der Steuereinnahmen durch neue Gewerbesteuerzahler. Die Gemeinde braucht zwingend das Gewerbegebiet mit Grevenbroich. Auf der Ausgabenseite sehen wir wenig weiteres Einsparpotenzial. Bei den pflichtigen Ausgaben sehen wir Einsparmöglichkeiten bei Personalkosten der inneren Verwaltung, nicht aber beim Bauhof und bei der Kinderbetreuung.
Thomas Dederichs (Grüne): Einsparmöglichkeiten sind mit dem Haushaltssicherungskonzept und dem Ziel eines ausgeglichenen Haushalts in 2019 weitestgehend ausgeschöpft. Wir können unsere Haushaltslage mittelfristig nur durch Steigerung der Einnahmen verbessern. Wir brauchen ein grünes Jüchen 2020, um als Wohnort attraktiv zu sein. Attraktivität wird aber auch durch ortsnahe Arbeitsplätze und Raum für Familien bestimmt.
Gerolf Hommel (FWG): Es braucht ein klares politisches Bekenntnis zur Entschuldung, und zwar aller Fraktionen und unabhängig von Mehrheiten, denn Entschuldung wird Jahrzehnte benötigen. Es braucht eine Verständigung auf Eckpunkte, wofür man Geld ausgeben und wie man Geld erwirtschaften will. Dazu ein angepeiltes Ziel, wann man wo mit den Schulden (60 Millionen Euro) stehen will. Die FWG hat mit ihren letzten Konsolidierungsvorschlägen (zum Beispiel Vergnügungssteuer, Straßenbeleuchtung, „Betrieb gewerblicher Art“, ÖPNV) vorgemacht, wie man verantwortungsvoll wirtschaftet.
Gegen das geplante KV-Terminal bei Jüchen gibt‘s Protest: Bürger befürchten Belastungen. Wie stehen Sie zu dem Projekt, und was muss gegen Lärm getan werden?Norbert Esser (CDU): Aufgabe ist es, alle Möglichkeiten auszuloten, die unsere wirtschaftliche Situation verbessern können. Das interkommunale Gewerbegebiet und KV-Terminal sehen wir als Chance, uns wirtschaftlich weiterzuentwickeln, allerdings nicht um jeden Preis. Einen Realisierungsbeschluß wird die CDU unter intensiver Beteiligung der Bürger nur treffen, wenn sichergestellt ist, dass der Terminal-Betrieb zu keinen zusätzlichen Belastungen der Bürger führt. Zudem sollte eine Verbesserung der Entwicklung der Gemeinde durch Steuereinnahmen oder Arbeitsplätzen nachgewiesen werden.
Holger Tesmann (SPD): Die SPD setzt sich für eine umwelt- und sozialverträgliche Gewerbeansiedlung ein. Jede zusätzliche Lärmquelle ist zu vermeiden. Die Gemeinde muss bereit sein, für den Lärmschutz Kosten zu übernehmen. Belastungen durch ein KV-Terminal müssen gering bleiben. Alle Schutzmaßnahmen müssen über die gesetzlich vorgegebenen Standards hinausgehen, um ein Niveau subjektiver Verträglichkeit für die Anwohner zu erreichen. Ohne eine solche Gewährleistung wird die SPD das Projekt ablehnen.
Konrad Thelen (FDP): Die Grundidee, Gütertransport von der Straße auf die Schiene zu verlegen, halten wir für sinnvoll. Die vorliegenden Informationen erlauben beim momentanen Stand des Verfahrens keine exakten Aussagen. Liegen die Fakten vor, können wir sachkundig unter Einbeziehung der Bürger entscheiden. Ich persönlich befürworte das Terminal, in meiner Partei wird es wie bei allen anderen strittig diskutiert. Sollte jedoch die Mehrheit der Bürger nach qualifizierter Information sich gegen das Terminal entscheiden, wird meine Partei das Projekt ablehnen.
Thomas Dederichs (Grüne): Das geplante KV-Terminal steht im direkten Zusammenhang mit dem gemeinsamen Gewerbegebiet mit Grevenbroich südlich der Autobahn. Wir brauchen diese Gewerbefläche, um den Erfolg des Regioparks zu duplizieren. Wir verstehen die Bedenken und Ängste der Anwohner. Auseinandersetzen können wir uns mit den Details erst in einem Planverfahren. Alle möglichen Belastungen müssen über Gutachten überprüft werden, und wir müssen sicherstellen, dass die Umsetzung belastungsneutral erfolgt.
Gerolf Hommel (FWG): Grundsätzlich ist die Planung von Container-Terminal und Interkommunalem Gewerbegebiet zu begrüßen. Unserer Auffassung nach sollte ein Terminal hinter die Autobahn. Dies nimmt für Bürger zu erwartende Emissionen weg. Das schließt jedoch weitere notwendige Schutzmaßnahmen nicht aus. Sollte ein Terminal hinter der A 46 nicht realisierbar sein, ist ein Standort entlang der jetzigen Bahnlinie nur zustimmungsfähig, wenn damit keine zusätzlichen Emissionen für Bürger einhergehen. Wir beantragen die Teilnahme und Mitsprache eines Bürgervertreters in den Gremien.
Nahe bei Schloss Dyck ist der Bau von großen Windrädern geplant? Wie stehen Sie zu dem Projekt?Norbert Esser (CDU): Der Bau von Windrädern unmittelbar bei Schloss Dyck ist durch die Gemeinde nicht geplant, von der CDU nicht gewollt und vom Rat am 13. März einstimmig abgelehnt. Im Übrigen lehnen wir eine Fremdbestimmung durch das Land bei der Standortfestlegung ab. Als eine seit Jahrzehnten durch den Tagebau belastete Gemeinde erwarten wir vom Land bei der Standortwahl zumindest die Einräumung eines verlängerten Zeitkorridors, bis uns die Renaturierungsflächen des Tagebaus für die mögliche Planung solcher Anlagen für den gemeindlichen Anteil wieder zur Verfügung stehen.
Holger Tesmann (SPD): Die CDU hat vor einem Jahr gegen die SPD beschlossen, einen WEA-Standort bei Schloss Dyck zu prüfen. Auf Druck der SPD hat sie sich von diesem Vorhaben kürzlich distanziert. Nun zeigt sie auf die Bezirksregierung, die den Standort in diesem Frühjahr vorschlug. Die Regionalplanung ist aber nicht berechtigt und hat (laut Landrat Petrauschke) auch nicht die Absicht, WEA-Vorranggebiete vorzuschreiben. Die Verwaltung ist aufgefordert, sich aktiv gegen diesen Standort einzusetzen.
Konrad Thelen (FDP): Die Platzierung von Windrädern bei Schloss Dyck lehnen wir ab. Wir betrachten die Vorgabe als unberechtigte Einmischung in die kommunale Planungshoheit. Durch den Braunkohlentagebau fehlt der Gemeinde ein Drittel der zu überplanenden Fläche. Auf dieser Fläche sollten nach unseren Vorstellungen die weiteren Windräder erstellt werden, sobald die Standfestigkeit des Bodens gegeben ist.
Thomas Dederichs (Grüne): Wir werden uns immer dafür einbringen, die Planungshoheit lokal und nicht auf Bezirksebene umzusetzen. Der Bereich um Schloss Dyck ist für uns kein geeigneter Raum für große Windräder.
Gerolf Hommel (FWG): Wir meinen, dass die Gemeinde bei Betrachtung aller Tagebaubelastungen und Entwicklungsbenachteiligungen mehr als ausreichende Beiträge zur Energieversorgung geleistet hat. Jüchen „opfert“ sich seit Jahrzehnten der Energiepolitik unseres Landes und sollte sich dadurch auch Sonderregelungen verdient haben. Wir wollen, dass Jüchen zumindest bis zum Abschluss des Tagebaus von der Verpflichtung zur Vorrangzonenausweisung befreit wird. Mit diesen Forderungen sind wir bereits mit einer Petition an die Ministerpräsidentin und den Landtag NRW herangetreten.
Das Neubaugebiet Auenfeld ist weit gediehen, viele Häuser sind fertig. Wie wollen Sie in Zukunft die Ansiedlung von jungen Familien fördern?Norbert Esser (CDU): Die Gemeinde verfügt für Familien über eine hervorragende Infrastruktur bei Kitas, Schulen und Sportstätten. Auch die günstigen Verkehrsanbindungen und guten Einkaufsmöglichkeiten sind für junge Familien wichtige Gründe, sich für Jüchen zu entscheiden. Wir werden weitere, für Familien attraktive Baugebiete ausweisen. Der Planungsausschuss wird den Startschuss für einen Bebauungsplan in Otzenrath geben. An der Hans-Dieckmann-Straße in Hochneukirch und auf dem Gelände der abgerissenen Turnhalle in Stessen stehen attraktive Grundstücke bereit.
Holger Tesmann (SPD): Die Gemeinde muss eine Strategie der „Familienfreundlichkeit“ verfolgen, die die erste Priorität bei allen strukturellen und investiven Entscheidungen setzt. Das schulische Ganztagsangebot und eine breite Kinderbetreuung müssen bedarfsgerecht ausgebaut werden. Sozial gestaffelte Grundstückspreise und Sanierungsförderung müssen im Innenbereich attraktive Angebote für den Bau von Eigenheimen und Mietwohnungen schaffen. Mehrgenerationen-Konzepte müssen Senioren dabei integrieren.
Konrad Thelen (FDP): Das Auenfeld hat sich fast gefüllt. Gründe sind die sich ständig verbessernde Infrastruktur Jüchens und die kinderreichen und sozial schwächeren Familien gewährten Nachlässe beim Grundstückserwerb. Attraktive neue Wohngebiete stellen wir uns im Bereich Bedburdyck-Stessen vor. Im Bereich Jüchen-West gibt es erste Vorüberlegungen für ein Gebiet. Dies möchten wir erst nach Vollbelegung des Auenfelds in Angriff nehmen, wobei dort angewandte Vergünstigungen übertragbar sind. Neben der Ausweisung neuer Baugebiete sorgen wir uns um den Bestand der alten Ortskerne
Thomas Dederichs (Grüne): Wir haben mit dem Bau des Kreisverkehrs am Ortseingang in Jüchen die Erschließung des Baugebietes Jüchen West sichergestellt. In den Umsiedlungsstandorten gibt es noch freie Baufläche. Zusätzlich können Baulücken innerhalb der Wohnlagen geschlossen werden. Eine Aufgabe der nächsten Jahre wird aber auch sein, die wirtschaftliche Bewohnbarkeit der Altbebauung sicherzustellen. Wir müssen ortsnah Ansprechpartner für Fördermittel einsetzen.
Gerolf Hommel (FWG): Da die Ausweisung von Neubaugebieten eine kostspielige Angelegenheit ist, muss Wohnraumschaffung stärker im vorhandenen Bestand erfolgen. Erfolgreich war bereits im Auenfeld die von uns beantragte Preisnachlassregelung für Familien, die man in ähnlicher Form auch künftig anwenden muss. Zudem ist es erforderlich, auch Themen wie häusliche Pflege und Inklusion in allen Bereichen weiter voranzutreiben, denn auch auf diesen Feldern werden Familien bei der bekannten demographischen Entwicklung künftig mehr Unterstützung brauchen.
Ein Dauerthema ist die Gestaltung des Jüchener Marktes und seines Umfeldes. Wie soll es dort weitergehen?Norbert Esser (CDU): Die Innenstadtentwicklung von Jüchen kann nicht nur auf den Marktplatz beschränkt werden. Hier ist der gesamte Bereich zwischen dem Einkaufszentrum Kölner Straße und der Steinstraße zu betrachten. Eine Planung in Teilschritten ist dabei wahrscheinlich sinnvoll. Durch die bereits erfolgte Einrichtung eines weiteren Busbahnhofs am Schulzentrum ergeben sich für den Marktplatz mehr Planungsmöglichkeiten. In diesen Umgestaltungsprozess werden wir die Bürger, die Vereine sowie die Anlieger rechtzeitig und intensiv einbinden.
Holger Tesmann (SPD): Die Gemeinde hat erst jetzt im Dorfentwicklungskonzept für Hochneukirch/Hackhausen angefangen, eine planvolle Stadtentwicklung ihres Altbestands zu betreiben. Schon heute muss mit einer Überplanung des historischen Marktumfeldes Jüchen begonnen werden, damit wieder ein Zentrum für Gewerbe und menschliche Begegnung entsteht. Rückstufung der Bundesstraße, Umlegung von Parkflächen und Bushalt schaffen Verkehrsentlastung. Zentrale Wohn- und Sanierungsbereiche müssen ausgewiesen werden.
Konrad Thelen (FDP): Die Gemeinde hat erst jetzt im Dorfentwicklungskonzept für Hochneukirch/Hackhausen angefangen, eine planvolle Stadtentwicklung ihres Altbestands zu betreiben. Schon heute muss mit einer Überplanung des historischen Marktumfeldes Jüchen begonnen werden, damit wieder ein Zentrum für Gewerbe und menschliche Begegnung entsteht. Rückstufung der Bundesstraße, Umlegung von Parkflächen und Bushalt schaffen Verkehrsentlastung. Zentrale Wohn- und Sanierungsbereiche müssen ausgewiesen werden.
Thomas Dederichs (Grüne): Das Werkstattverfahren in Hochneukirch war ein Erfolg. In Jüchen sind wir noch aufgrund gewährter Landesmittel für einen kurzen Zeitraum gebunden. Sobald wir die Bindefrist der Mittel verlassen haben, werden wir uns für ein Werkstattverfahren in Jüchen einsetzen.
Gerolf Hommel (FWG): Bereits seit 2007 hat die FWG Pläne zur Umgestaltung des Marktes verwahrt, die mit Anwohnern und Gewerbetreibenden und der planerischen Konzeption durch das Architektenehepaar Endres erarbeitet worden waren. Die Umsetzung scheiterte damals. Spätestens in 2017, nach Ende der Mittelbindungsfrist, will die FWG auch die mit den Bürgern gemeinsam erarbeiteten Gestaltungsvorschläge umgesetzt wissen, damit Jüchen endlich eine attraktive Ortsmitte anzubieten hat. Der Markt muss Gemeindezentrum sein und werden.