Kaarst Als Chirurg viel im Krieg gelernt

Kaarst · Dass er als Staatenloser gilt, erfuhr er erstmals 2010 - bevor der Krieg in seiner syrischen Heimat ausbrach. Aiham Mahzia hatte zum Ende seines Medizinstudiums ein dreimonatiges Praktikum an der Charité in Berlin machen wollen. Anstelle eines Reisepasses erhielt er nur ein "Reisedokument". Erst nach Widerspruch durfte er ausreisen. Doch Mahzia bekam eine Vorstellung davon, was es bedeutet, staatenlos zu sein als Sohn einer Syrerin und eines Palästinensers.

 Ein Bild aus glücklichen Tagen: Aiham Mahzia mit Bruder Majd.

Ein Bild aus glücklichen Tagen: Aiham Mahzia mit Bruder Majd.

Foto: Mahzia

"Fünf Monate vor Kriegsbeginn bin ich zurückgekehrt, um meine Facharztausbildung zum Chirurgen abzuschließen", sagt er. Als im März 2011 der Krieg ausbrach, veränderte sich sein Leben schnell. Durch die Barrikaden, die entweder vom Assad-Regime oder von den Dschihadisten aufgebaut worden waren, dauerte die eigentlich 30-minütige Fahrt zur Klinik in Damaskus drei bis vier Stunden. "Bis zu 15 Kontrollen musste ich passieren. Wenn den Kontrolleuren meine Nase nicht passte, sie mich schikanierten, fürchtete ich um mein Leben."

Auch beruflich wurde seine Situation immer dramatischer. "Die Regierung rief mich an, nur noch für sie zu arbeiten, Regimegegner verlangten dasselbe", sagt Aiham. "Dabei bin ich als Arzt doch für alle Menschen zuständig." Zeitgleich stieg die Zahl der eingelieferten Opfer. Er machte Schichten von bis zu 64 Stunden am Stück. "In der Klinik habe ich alles gemacht. Durch den Krieg lernt man viel - leider", sagt er. "Doch ich konnte nicht mehr."

Mahzia büffelte weiter Deutsch, um das Sprachzertifikat B2, das für ein deutsches Visum Voraussetzung war, zu erhalten. Nachdem er dieses hatte, reiste er 2013 legal von Syrien in den Libanon. Fünf Monate hielt er sich illegal dort auf - dann erhielt er das ersehnte Visum, mit dem er am 15. Februar 2014 nach Deutschland fliegen durfte. Mahzia bewarb sich um eine Hospitation in deutschen Krankenhäusern. Prof. Dr. Jörg Jerosch, Chefarzt für Unfallchirurgie am Johanna-Etienne-Krankenhaus in Neuss, reagierte. Vier Monate lang hospitierte Mahzia dort. Auf eigene Kosten absolvierte er zudem die C1-Sprachprüfung.

In Kaarst fand er ein Zimmer. "Ich fühle mich sehr wohl hier. Viele Menschen haben mich unterstützt", sagt Mahzia. Sein Studium wird in Deutschland anerkannt, doch ihm fehlt die Approbation. "Ohne die darf ich nicht arbeiten und meine Weiterbildung in Chirurgie abschließen." Dafür muss er die Fachsprachenprüfung schaffen. Gemeinsam mit einer Medizin-Professorin büffelte er für die Prüfung bei der Ärztekammer. In Rollenspielen gingen sie die unterschiedlichen beruflichen Alltagssituationen durch.

Doch vor der Ärztekammer Westfalen-Lippe bestand er die Prüfung nicht. Der Vokabeltest "Lateinisch-Deutsch" wurde ihm zum Verhängnis. "In Syrien ist im Medizinstudium alles auf Englisch und nicht auf Lateinisch." Seine Verzweiflung wächst. Aber er büffelt weiter. Sein Ziel: "Ich möchte doch nur wieder arbeiten dürfen als Arzt."

(bb)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort