Kaarst "Als Christ nicht die AfD wählen"

Kaarst · Der CDU-Politiker Heiner Geißler sprach in der VHS-Reihe "Dialog Zukunft" klare Worte - zu Ökumene und Politik.

 Heiner Geißler beschäftigte sich mit Martin Luther und fragt sich, was dieser heute zur Welt- und Kirchenpolitik sagen würde.

Heiner Geißler beschäftigte sich mit Martin Luther und fragt sich, was dieser heute zur Welt- und Kirchenpolitik sagen würde.

Foto: Lothar Berns

Heiner Geißler war nicht nur ein streitbarer Geist als Politiker, wie Bürgermeisterin Ulrike Nienhaus zur Eröffnung der Veranstaltung "Dialog Zukunft" in der Rathausgalerie anmerkte. Der mittlerweile 86 Jahre alte Katholik trug als junger Mann vier Jahre lang die Ordenskutte der Jesuiten und hat jetzt ein Buch geschrieben, in dem Christentum und Politik aufeinandertreffen: "Was müsste Luther heute sagen?" Mit 240 Zuhörern war der Vortrag deutlich besser besucht als andere Veranstaltungen dieser durchweg interessanten Reihe.

Heiner Geißler kam in schwarzer Lederjacke - und bewies gleich zu Beginn Humor: "Sie haben noch vergessen zu erwähnen, dass sich auch Vorsitzender des südpfälzer Gleitschirmfliegerclubs bin", sagte er scherzhaft zur Bürgermeisterin. Es dauerte zwar über eine Stunde, bis er auf das eigentlich Thema zu sprechen kam, aber langweilig waren diese 70 Minuten nicht. So erklärte er, dass die CDU sich aus gutem Grunde als Union verstehe - es gehe darum, die konfessionelle Spaltung zu überwinden. Das sei spätestens gelungen, als mit Ludwig Erhard 1963 ein evangelischer Christ zum Bundeskanzler gewählt wurde.

Martin Luther habe in seiner Zeit die Barmherzigkeit Gottes in den Mittelpunkt gerückt. Sein Credo: Das Seelenheil ist durch Geld nicht erwerben - das war mehr als ein Seitenhieb auf den Ablasshandel.

Augustinus war für Geißler der Gescheiteste der alten Kirchenlehre: "Er hat die Erbsünde erfunden - der Mensch ist demnach von Grund auf verdorben durch die Ursünde." Was dem Referenten daran missfällt: "Da die Ursünde mit Eva im Paradies in Verbindung gebracht wird, haben alle prophetischen Religionen eine Herabsetzung der Frauen zum Gegenstand. Mit dieser Diskriminierung muss endlich Schluss sein." Dass Gottesliebe und Nächstenliebe gleichwertig sind, habe Luther als erster Kirchenmann verstanden.

Nach einer Stunde lief Geißler zu Bestform auf und erklärte, Luther würde die Wirtschaftspolitik kritisieren: "Die Welt wird beherrscht von nichtchristlichem Wahn, vor allem von der Wirtschaftspolitik. Wir exportieren unsere Waren, dafür kommen Menschen zu uns, weil sie in ihrer Heimat keine Zukunft sehen." Die "unsittliche Weltordnung" sei der Grund für die Flüchtlingsströme: "Warum wehrt ihr euch nicht, so wie ich mich damals gewehrt habe", würde Luther heute fragen. Und Geißler schimpfte: "Wir handeln verantwortungslos. Die Kirchen müssen ein Konzept entwickeln für eine humane Weltwirtschaft und Friedensordnung in Anlehnung an die Soziale Marktwirtschaft und Elemente der evangelischen Sozialethik und der katholischen Soziallehre." Der geordnete Wettbewerb, wie es ihn bei uns gebe, sei mit ein Grund dafür, dass es uns besser gehe als anderen Ländern. In der Weltpolitik gebe es diese Ethik nicht.

Geißler trat vehement für mehr Ökumene ein: "Die Einheit der Christen ist die Voraussetzung, dass die Welt sich zum Guten verändert: Das würde Luther heute sagen." Beifall bekam er für die Bemerkung, als Christ könne man nicht die AfD wählen. Die Kirchen müssten die Menschen mit modernden Medien erreichen anstatt sich über leere Gotteshäuser zu beklagen.

(NGZ)
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