Kaarst Bewegender Abend mit Liedern von der Flucht

Kaarst · "Nichts ist sicher, und nichts ist verbürgt", hieß es in dem Text, den jeder Besucher mit auf seinen Platz bekam. Das brachte die Botschaft des Abends auf den Punkt. Unsicherheit verbindet sich vor allem mit der Befindlichkeit der Flüchtlinge. Und wenn sie überhaupt den weiten und beschwerlichen Weg in unsere Welt geschafft haben, sind sie deshalb aber noch längst nicht angekommen. Diese äußerst heikle Gratwanderung literarisch und musikalisch in einer guten Stunde darzustellen, hatten sich die Akteure zur Aufgabe gestellt: Angela Froemer, Mezzosopran, Susanna Weber, Schauspielerin, und Wolfgang Weber, Piano. Unbedingt zu nennen ist auch die Dramaturgin Verena Kleist, die den Part der textlichen und musikalischen Flucht-Recherche und deren programmatische Abfolge übernommen hatte.

"Ich kann Ihnen versprechen", lud Wolfgang Weber ein, "das wird ein sehr interessanter Abend." Dieses Versprechen hielten die Interpreten mit einer mal gemeinsam, dann wieder individuell gestalteten "großen Fluchtgeschichte" voll und ganz ein. Klassische und zeitgenössische Musik, historisch-literarisch niedergelegte Erfahrungen mit der Flucht wechselten sich ab mit aufrüttelnd-aktuellen Eindrücken. In Auszügen aus einem Blog kamen sogar syrische Stimmen zu Wort. Alles zusammen ließ den Abend in einem flammenden Appell gipfeln.

Politische Wertungen blieben außen vor. Dafür gab es persönliche Fluchterfahrungen. Sie schockierten formal und inhaltlich. Dafür sorgte vor allem die gelegentlich schneidende Deklamation der Schauspielerin Susanna Weber. Vermutlich vor kurzem noch in hoffnungslos seeuntüchtigen Schiffen auf dem Mittelmeer dümpelnde und angelandete syrische Blogger haben ihr beispielsweise in den Mund gelegt: "Wir wollten nach Europa. Aber Europa gibt es nicht." Taumelnd in der Schwebe mit einem extrem engen Bewegungsspielraum müssen die Flüchtlinge also klar kommen.

Bald stellte sich heraus, dass sich an diesem Abend keiner zu einem entspannten Kunstgenuss zurücklehnen konnte, sondern dass Mitfühlen und sogar Mitdenken gefordert waren. Auch wenn Froemer mit ihrer wunderbaren Stimme bezauberte, Susanna Weber textsicher beeindruckte und Wolfgang Weber instrumental gekonnt anleitete. Auf jeden Fall endeten die Vorträge versöhnlich - wie eine Besucherin bekundete: "Ein schmerzlich-trauriges Thema, das durch diese Darstellung tiefe Freude gebracht hat."

(NGZ)
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