Kaarst Der Mensch braucht auch den Mut zum Träumen

Kaarst · Die Frage nach der Realisierung des Traums einer zukunftsweisenden Gestaltung der katholischen Pfarreiengemeinschaft und Kirchengemeinde in Kaarst konnte Stephan Grünewald nicht endgültig beantworten - vielleicht weiß er in zwei Monaten mehr. Denn dann ist die Studie zum Thema "Weshalb bleiben Menschen in der Kirche" des Rheingold-Instituts, dessen Mitbegründer Grünewald ist, fertig.

 Stephan Grünewald referierte in der Gesprächswerkstatt.

Stephan Grünewald referierte in der Gesprächswerkstatt.

Foto: Jurga-Graf

Der Psychologe und Managing Partner des Marktforschungsinstitutes rollte in einem mitreißenden Vortrag im Rahmen der sechsten Gesprächswerkstatt vor zahlreichen Zuhörern im Pfarrheim zunächst die Thesen seines Bestsellers "Die erschöpfte Gesellschaft" auf. Über 20 Jahre lang habe es eine Entwicklung von "cooler Gleichgültigkeit" bis zur "entfesselten Beliebigkeit" mit einem Effizienzdiktat gegeben.

Die Folgen: Erosion des Verlässlichen, besinnungslose Betriebsamkeit im Hamsterrad mit "Erschöpfungsstolz" am Ende des Tages, bei dem jedes Familienmitglied Gewinner sein will. Hinzu kommen Freizeitstress mit immer krasseren Hobbys und Zuschütten mit Aktivitäten in sozialen Netzwerken. Sein Rezept für den Ausweg: Mut zum Träumen und Einbau von "Dehnungsfugen".

Das fängt bei einfachen Dingen wie mit einer ausgiebigen Dusche, einem ruhigen Frühstück und ausgiebiger Zeitungslektüre am Morgen eines Tages an. "Eigentlich waren die Deutschen immer gut darin, sich mittels Laube, Garten und Garage aus dem Hamsterrad herauszuziehen", erklärte Grünewald.

Weshalb aber sind Religion und Kirche als Gegenentwurf zur erschöpften Gesellschaft trotzdem unbeliebt? Die Gründe für diese Ablehnung sieht Stephan Grünewald im Fehlen kindlicher Geborgenheit in der jeweiligen Gemeinde und auch in der mangelnden Alltagstauglichkeit der Kirche. Zudem sei der Erlösungsgedanke des Glaubens derzeit kein Thema. Denn man erlebe bereits jetzt das Paradies auf Erden.

Der Bindungssehnsucht stehe eine Haltung des "Verpissens" gegenüber, führte er weiter aus. Er sieht den Auftrag der Kirche in echter Verbindlichkeit, diese müsste aber an Attraktivität gesteigert werden. Unbedingt habe die Kirche die Nähe zu den Menschen zu suchen, sagte er.

Peter Seul, leitender Pfarrer der Pfarreiengemeinschaft Kaarst-Büttgen, wies in der Veranstaltung auf die vielen Aktivitäten der Gemeinde hin, aber gab auch zu, dass man dabei das Bedürfnis der Menschen nach Auszeiten nicht aus dem Blick verlieren dürfe.

(keld)
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