Kaarst Deutschland spottet über Luxus-Brücke

Kaarst · Schöner, teurer, Kaarst? Dieser Eindruck drängt sich bei der Planung öffentlicher Bauwerke auf. Die 150.000-Euro-Aussichtsplattform der Ohrenbrücke hat es sogar ins Schwarzbuch des Steuerzahlerbunds und ins Fernsehen geschafft.

Die geplante Aussichtsplattform besteht quasi aus einem verbreiterten Fußgängerweg mit Sitzgelegenheiten.

Die geplante Aussichtsplattform besteht quasi aus einem verbreiterten Fußgängerweg mit Sitzgelegenheiten.

Foto: Wienstroer

Das hätten sich die Kaarster wahrscheinlich auch nicht träumen lassen - dass sich Comedian Mario Barth einmal zur besten Sendezeit im Fernsehen über "ihre" Stadt lustig macht. So geschehen am Mittwochabend. In der RTL-Sendung "Mario Barth deckt auf" führt sich der 42-Jährige regelmäßig das Schwarzbuch des Steuerzahlerbunds zu Gemüte.

Auf 160 Seiten werden darin die schlimmsten Fälle von Steuergeldverschwendung aufgelistet. Die 150.000 Euro teure Aussichtsplattform der geplanten Ohrenbrücke, die künftig den Verkehr zum neuen Ikea-Haus aus Holzbüttgen heraushalten soll, hat es auf diese Liste geschafft. Der Steuerzahlerbund spricht von einer "zweifelhaften Augenweide" und einem "höchst überflüssigen Unterfangen", denn der Nordkanal, heißt es, könne auch an anderen Stellen angemessen bewundert werde. Die Aussichtsplattform koste den Steuerzahler unnötig viel Geld.

Das sieht die Stadt Kaarst selbstverständlich anders, schließlich haben die Fachausschüsse und der Stadtrat ganz bewusst für die außergewöhnliche Gestaltung der Brücke mit Aussichtspunkt auf den Nordkanal gestimmt.

"Diese Brücke", sagte Architekt Eckehard Wienstroer bei der Vorstellung der Pläne, "ist mehr als nur ein Mindestfunktionalbauwerk. Vielmehr soll sie den Verkehr aufnehmen und dabei Funktionalität und Ästethik klug miteinander verbinden. Und: Der Nordkanal soll sich ein Stück weit in der Brücke widerspiegeln. Deshalb bekommt die neue K 37n-Brücke einen stabilen, torartigen Unterbau. Die Brücke liegt auf einem Bock auf, ihre ganzen Kräfte konzentrieren sich über dem Nordkanal. Ins Wasser hinein ragt die Aussichtsplattform.

Schwarzbuch 2015: Extreme Fälle von Geldverschwendung
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Wie Steuergelder verbrannt werden

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Foto: dpa

Die Überführung selber beschreibt eine Wellenlinie mit unterschiedlich hohem Geländer. Es wächst dort, wo es die Bahntrasse vorschreibt, und wird niedrig über dem Nordkanal. "Die Bauteile für die geschwungene Sonderbauform sind nur in geringen Mengen verfügbar und deshalb deutlich teurer als herkömmliche eckige Systembauteile", erklärt die Technische Beigeordnete Sigrid Burkhart. So erklärten sich die Extra-Kosten.

Davon unabhängig: Die Planung und Gestaltung öffentlicher Bauwerke müsse neben den Gesichtspunkten der Kosteneinsparung und Zweckmäßigkeit auch Fragen der Ökologie, des Denkmalschutzes und weitere Anforderungen berücksichtigen, sagt die Stadt Kaarst. Die Bezirksregierung Düsseldorf betreibe derzeit ein Unterschutzstellungsverfahren für den Nordkanal als Bodendenkmal. Die Brückengestaltung trage diesem Ansinnen Rechnung und ermögliche der interessierten Öffentlichkeit den Blick auf das zukünftige Bodendenkmal. Der Aussichtspunkt auf der Ohrenbrücke werde der einzige Punkt im Stadtgebiet sein, an dem das denkmalwerte historische Bauwerk "Nordkanal" aus der Perspektive wahrnehmbar sei. Zudem, sagt die Verwaltung, sei die Entscheidung auch im Hinblick auf die geplante, vom NRW-Umweltministerium ausdrücklich unterstützte ökologische Aufwertung des Nordkanals und das hohe öffentliche Interesse an diesem Thema aktuell bedeutsamer denn je.

Und noch eine viel zu teure Anschaffung wurde in der Sendung von Mario Barth thematisiert: Die Luxus-Papierkörbe aus Leverkusen für 55.000 Euro. Mehr dazu lesen Sie hier.

(NGZ)
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