Kaarst Familienalltag in Kaarst muss neu gelernt werden

Kaarst · Familie Kohestani ist aus Afghanistan geflohen und lebt gern in Kaarst. Vater Nurullah lernt auch, sich um Haushalt und Kinder zu kümmern.

Die Arbeit fehlt ihm am meisten. "Ich würde so gerne wieder als Tischler arbeiten dürfen, am liebsten ein Praktikum machen", sagt Nurullah Kohestani, der mit seiner Frau und drei Kindern sowie seinem erwachsenen Neffen aus Afghanistan geflohen war, und seit zehn Monaten in Kaarst lebt. Bis auf die Tatsache, dass ihm manchmal langweilig sei ohne Aufgabe, fühlt sich der 33-jährige richtig wohl hier. "Ich liebe Kaarst, alle sind sehr nett zu uns", sagt Nurullah. Er spricht recht gut Deutsch, hat einige Bekannte und gelernt, sich im deutschen Alltag zurechtzufinden. Großen Anteil daran hat das Ehepaar Gertrud und Erich Köhler. Die beiden begleiten die afghanische Familie schon seit einigen Monaten, erteilen Deutschunterricht und helfen bei Behördengängen.

Es sei eher ein Zufall gewesen, wie er Kohestani kennengelernt habe, erzählt Erich Köhler. Der 78-Jährige hatte im Februar die Ausstellung "Unsere neuen Nachbarn" in der Rathaus-Galerie besucht. "Plötzlich stand ein junger Mann neben mir und ich fragte ihn, ob er Flüchtling sei", so Köhler. "Daraufhin zeigte er auf mehrere Fotos." Die beiden Männer kamen ins Gespräch, die Verständigung sei anfangs noch etwas holprig gewesen, doch sie verabredeten sich für den nächsten Tag am ehemaligen Rido-Fitness, das zur Flüchtlingsunterkunft umgebaut worden war.

Kohestani lud Köhler in den abgetrennten Bereich, wo die Familie seinerzeit lebte. Seitdem haben das Ehepaar Köhler und die Familie regelmäßigen Kontakt. "Nach Rücksprache mit Ute Walter vom Ökumenischen Arbeitskreis Asyl haben wir sie bei Alltagsangelegenheiten unterstützt", sagt Köhler. So begleitete er Kohestani zur Ausländerbehörde, zur Bank, zum Arzt. "Alles immer nur einmalig", erklärt der Rentner. "Eben reine Hilfe zur Selbsthilfe. Oder wie meine Frau sagt: Fördern und fordern." Zudem lernte das Ehepaar mit den Flüchtlingen Deutsch.

Dabei hatte Erich Köhler nie zuvor Deutschunterricht erteilt. Doch der ehemalige Verkaufsleiter in der Ernährungsindustrie besorgte sich aktuelle Lehrbücher wie "Berliner Platz" oder "Hamburger ABC", um Deutsch als Fremdsprache zu unterrichten. Mit Erfolg: Kohestani spricht schon richtig gut und kann verständlich über seine Flucht erzählen. "Ich habe in Afghanistan als Tischler auf Baustellen für die Amerikaner gearbeitet. Nachdem die weg waren, haben die Taliban über mich gesagt: 'Dieser Mann ist schlimm.'" Für ihn, seine 23-jährige Frau sowie die drei Kinder sei es zunehmend gefährlich geworden in der Heimat. Obwohl das jüngste Kind erst wenige Monate alt war, entschloss sich die Familie zur Flucht. Über Pakistan, den Iran, die Türkei und letztlich mit Booten nach Griechenland sei seine Familie geflohen.

Mittlerweile hat die Familie eine Wohnung bezogen, der Sohn (5) und die Tochter (4) gehen tagsüber zur Kita, um das 15 Monate alte Baby kümmert sich Nurullah gemeinsam mit seiner Frau. Ungewohnt für den Afghanen, die Kinder zur Kita zu bringen, einzukaufen oder Essen vorzubereiten. Das habe sonst seine Frau gemacht, während er gearbeitet habe, sagt er. Jetzt lernen er und seine Frau gemeinsam Deutsch. Dieser Unterricht ist insbesondere für seine Frau eine ganz neue Erfahrung. Kohestani: "Meine Frau hatte in Afghanistan keine Schulbildung."

(BroerB)
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