Kaarst Flüchtlingshilfe im Frisörsalon

Kaarst · Seinen ganz persönlichen Beitrag zur Unterstützung der neu Zugezogenen hat Rodi Sulaiman am Sonntag geliefert: Der gebürtige Syrer schnitt Flüchtlingen kostenlos die Haare. Von der Idee bis zur Umsetzung vergingen nur wenige Tage.

Es herrscht Hochbetrieb im Kaarster Salon "Alanya" von Friseur Rodi Sulaiman - und das am Sonntagnachmittag. Der gebürtige Syrer hat zu einer ganz besonderen Aktion eingeladen: Gemeinsam mit seinen acht Mitarbeitern schneidet er Flüchtlingen kostenlos die Haare. Per Rad oder zu Fuß mit Kinderwagen kommen ganze Flüchtlingsfamilien zur Neusser Straße, um sich frisieren zu lassen.

"Fast jeder spendet oder hilft ehrenamtlich, da wollte ich auch etwas machen", sagt Sulaiman, der seit 15 Jahren in Deutschland lebt. Gemeinsam mit seinem Stammkunden Dietmar Günther, der seit 32 Jahren ehrenamtlich beim Kaarster Lumpenpack tätig ist, heckte er die Idee aus, kostenlos Flüchtlingen die Haare zu schneiden.

Von der Idee bis zur Umsetzung vergingen nur wenige Tage. Denn Günthers Ehefrau ist wiederum Kollegin von Susanne Enkel, die bei der Stadt Kaarst für die psychosoziale Betreuung von Flüchtlingen zuständig ist. Enkel war begeistert von dem Angebot, holte sich das Okay bei ihrem Chef, gestaltete leicht verständliche Flyer mit Piktogrammen, verschickte diese namentlich an diverse Flüchtlingsfamilien und fragte nach, wie groß das Interesse sei. Rund 160 Personen wollten kommen.

Etwa 25 Kunden waren am Sonntag um 15 Uhr schon da - dabei hatte Sulaiman erst eine halbe Stunde lang geöffnet. Wie dankbar viele der Flüchtlinge für sein Angebot sind, ist bereits von weitem zu sehen. Mit strahlenden Gesichtern kommen Kinder und junge Männer aus dem Salon. Vor allem die kleinen Jungen sind stolz auf ihre coolen, stylishen Haarschnitte. "Es ist den Menschen anzusehen, wie sehr sie sich freuen", sagt Enkel. "Aber das geht uns ja nicht anders, wenn wir beim Friseur waren: Wir fühlen uns schöner, haben ein anderes Selbstwertgefühl."

Die Verständigung zwischen den Friseuren und den Flüchtlingen läuft problemlos. Einige wenige Wörter auf Englisch wie "Zero" (Null) oder "three millimetres" (drei Millimeter) genügen, und schon wissen die Friseure, welche Stellen ausgespart und auf welche Länge gekürzt werden soll.

Die Kunden an diesem Nachmittag stammen aus Albanien, Serbien, Kirgisien oder dem Kosovo. Syrer waren bislang noch nicht dabei. Sobald sie auf dem Stuhl Platz nehmen, wird Sulaiman mit ihnen in seiner Heimatsprache reden. Denn er ist selbst vor 15 Jahren aus Syrien geflohen. "Ich war Mitglied der kurdischen Partei, die in Syrien verboten ist." Als der Geheimdienst ihn verfolgte, blieben ihm nur zwei Optionen: Flucht oder Haft.

Der gelernte Schneider war 20 Jahre alt, als er seine Mutter - der Vater war schon einige Jahre tot - und 13 Geschwister zurückließ. "Im Juni 2000 flüchtete ich zunächst über die türkische Grenze. Dann ging es per Boot nach Griechenland", erzählt der 35-Jährige.

Schleuser, denen er knapp 6000 Dollar hatte bezahlen müssen, brachten ihn per Lkw nach Deutschland. "Vier Tage später kam ich in Passau an und wurde von der Polizei erwischt." Zunächst kam er in eine bayerische Flüchtlingsunterkunft, später lebte er drei Jahre lang in einem Asylheim in Remscheid. "Zum Glück durfte ich recht bald arbeiten und fing bei einem Schneider in Wuppertal an", erinnert er sich. Dadurch habe er auch rasch Deutsch gelernt. Mitte 2003 wurde sein Asylantrag anerkannt, er schulte zum Friseur um und erhielt später sogar die deutsche Staatsangehörigkeit.

(bab)
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