Kaarst Goethe machte Familie Buff unsterblich

Kaarst · Gotthard Buff, ein Nachfahr der Goethe-Liebe Charlotte Buff, kam zur Lesung über seine Ahnin und den Dichterfürsten.

Nur einen Kuss tauschte der Deutschen größter Dichter Johann Wolfgang von Goethe 1772 mit Charlotte Buff - wobei unklar bleibt, inwieweit er erwidert wurde - doch damit ist dem kundigen Leser sofort klar, wer einem mit Gotthart Buff bei der Lesung im Kunstcafé Einblick gegenüber sitzt: Ein Nachkomme der damals Angebeteten, die durch die "Leiden des jungen Werther" einen Platz im Olymp der Weltliteratur fand. Als Ur-Ur-Enkel von Charlotte vorgestellt, rückt er seinen Verwandtschaftsstatus sofort richtig: "Ich bin ihr Ur-Ur-Großneffe, ein Nachfahre ihres jüngsten Bruders Ludwig. Charlotte Buff war meine Ur-Ur-Großtante", erklärt der 87-Jährige.

Auf dem Werbezettel zur Veranstaltung ist die berühmte Szene abgebildet, in der Lotte für ihre zahlreichen jüngeren Geschwister Brot schneidet und Goethe, im Türrahmen stehend, sich augenblicklich in sie verliebt. "Der kleine Junge rechts unten in dem Kinderstuhl ist mein Ur-Ur-Großvater Ludwig", sagt Gotthart Buff. Er wohnt in St. Tönis und ist von einem befreundeten Ehepaar aus Kaarst auf die Veranstaltung aufmerksam gemacht worden. "Ich wurde und werde immer auf meinen Nachnamen angesprochen", erzählt er. "Besonders zu Schulzeiten, als wir den Werther durchnahmen", erinnert er sich.

"Die neuen Leiden des jungen Werther" von Ulrich Plenzdorf hat er auch gelesen. "Ich bin der Jüngste von zwölf Geschwistern. Alle zwei Jahre treffen sich möglichst viele Nachfahren unserer Familie", sagt Buff. Da kommen leicht über 100 Personen zusammen. "Wir sprechen auch über Goethe", gibt er schmunzelnd zu. Ohne ihn wäre sie schließlich nicht so berühmt. Sein eigener Sohn trägt den Namen mit Stolz weiter. "Der jüngeren Generation sagt der Name leider nicht mehr so viel", bedauert Buff.

Doch den zahlreichen Gästen im gut besuchten Café Einblick war er sehr vertraut. In der szenischen Lesung "Nur ein Kuss - Die große Liebe des jungen Goethe" schlugen Elisabeth Hoheisel, Ille Mularski und Ulrich Caspers einen weiten Bogen durch das rastlose Liebesleben des Dichters, den beinahe jede Angebetete zu einem literarischen Text von höchster Qualität inspiriert hat. So zitierten sie "Sah ein Knab ein Röslein stehen" als Erinnerung an die Begegnung mit Friederike Brion und ein Liebesgedicht für seine Frau Christiane Vulpius, das er 64 Jahre später verfasste.

"Die Leiden des jungen Werther" schrieb Goethe allerdings nicht direkt nach der Begegnung mit Charlotte, wie von Hoheisel genannt, sondern erst zwei Jahre später, als sich schon längst die nächsten Frauen am Horizont abzeichneten. Goethe hatte die damals 19-jährige Charlotte in Volpertshausen, einem Dorf in der Nähe von Wetzlar, kennengelernt. Goethe war offiziell Praktikant am Reichskammergericht, der obersten zivilen Gerichtsbehörde des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation. Er verliebte sich sofort in das junge Mädchen, wusste natürlich nicht, dass Charlotte schon seit vier Jahren einem Mann versprochen war: Johann Christian Kestner, den sie dann auch heiratete. Als Goethe ihr begegnete, lebte sie noch zu Hause, sorgte anstelle der gestorbenen Mutter für die zehn Geschwister.

Der launige Vortrag stellte Goethe zwar als begnadeten Dichter, aber auch als Spielball seiner Gefühle und Egomanen dar. "Er zielt zwar pausenlos, aber er drückt nicht ab", charakterisierte seine Mutter Catharina Elisabeth Goethe ihren Sohn. Mit einem Bogen zu Thomas Manns "Lotte in Weimar", in der Mann eine real kühl verlaufende spätere Begegnung zwischen Goethe und Lotte romantisch ausschmückte, endete der Abend.

(NGZ)
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