Kaarst Inspektion in der Kaarster Unterwelt

Kaarst · Die Kanalisation ist das Revier des städtischen Tiefbauamtes. Dessen Mitarbeiter Günter Hüsges und Florian Gyszas inspizieren regelmäßig, ob unter der Stadt alles in Ordnung ist - und finden dort auch mal ein Gebiss.

 Florian Gyszas ist Fachkraft für Rohr-, Kanal- und Industrieservice bei der Stadt Kaarst. In den Kanal steigt er fast nie. Das ist gefährlich.

Florian Gyszas ist Fachkraft für Rohr-, Kanal- und Industrieservice bei der Stadt Kaarst. In den Kanal steigt er fast nie. Das ist gefährlich.

Foto: Ati

Den Weg in die Unterwelt stellt man sich klassischerweise anders vor. In modernen Mystery-Filmen aber könnte er so aussehen: Erst überquert man den Betonboden des Regenrückhaltebeckens am etwas abgeschiedenen Pumpwerk Büttgen, irgendwo zwischen Grefrather Straße und Am Lüttenglehner Weg. Hinter einer mächtigen runden Stahltür klafft der Kanaleingang als dunkles Loch. "Wenn man da durchginge, würde man unter der Landstraße L 381 landen", sagt Abwassermeister Günter Hüsges vom Tiefbauamt. Wirklich durchgehen aber darf auch er nicht - das ist viel zu gefährlich.

Hüsges ist der Chef der Kaarster Unterwelt. Hilfe bekommt er von Florian Gyszas, Fachkraft für Rohr-, Kanal- und Industrieservice. Gemeinsam sind die beiden für die Wartung der öffentlichen Abwasseranlagen in Kaarst zuständig. Die erfolgt für die einzelnen Abschnitte des 193 Kilometer großen Kanalnetzes jeweils alle 15 Jahre. Entgegen allgemeiner Vorstellung steigt das Betriebspersonal dabei meistens nicht selbst unter die Erde. Anders gesagt: Weite Strecken des in den 1960-er Jahren erbauten Kanalsystems haben seit Jahrzehnten kein menschliches Leben gesehen.

"Für eine kurze Inspektion, die maximal fünf Minuten dauert, gehe ich selbst runter", sagt Gyszas. "Unter ständiger Beobachtung", ergänzt Hüsges. Mehrgas-Messgeräte überwachen dann die Atmosphäre, denn in Kanalgewässern können Faulgase entstehen, die giftige Gase enthalten und zum sofortigen Tod führen. "In Neuss ist vor vielen Jahren mal ein Arbeiter beim Öffnen des Kanaldeckels gestorben", sagt Hüsges. Deswegen werden gründliche Inspektionen von einer Kamera mit explosionsgeschützten Gehäuse vorgenommen und dokumentiert.

Hüsges und seine Mitarbeiter sind auch für die Reinigung der neun ober- und unterirdischen Regenrückhaltebecken zuständig. "Das Kaarster Kanalsystem ist ein Mischsystem: Schmutz- und Regenwasser werden in einer gemeinsamen Leitung gemischt", erklärt Hüsges. Das Regenrückhaltebecken diene als Zwischenspeicher, wenn das Kanalsystem die Wassermengen bei Regenfall nicht trägt. Nach der Weiterleitung in die Kläranlage finde man dort dann "alles Mögliche, was Menschen so in die Toilette werfen". Neben Tampons, Binden und Kondomen sei zum Beispiel auch Unterwäsche dabei. "Oder ein Gebiss", sagt Gyszas.

Eine Sache gibt es, der Hüsgen in den Kaarster Kanälen nicht begegnen will: "Kanalhaie", wie er sagt. Das seien dubiose Reinigungsfirmen, die Privateigentümer mit unseriösen Methoden übers Ohr hauen. In NRW ist die Zustands- und Funktionsprüfung privater Abwasseranlagen per Gesetz Angelegenheit der Hauseigentümer. Sie sollen regelmäßig überprüfen, ob defekte Dichtungen das Grundwasser verschmutzen. Da sie für Schäden zur Haftung gezogen werden können, fallen viele auf überteuerte Angebote der "Kanalhaie" rein. "Jede Zustandsprüfung muss ordnungsgemäß dokumentiert und bescheinigt werden", sagt Hüsges und weist darauf hin: "Bevor sie auf ein Angebot eingehen, sollten sich Eigentümer bei der Stadt beraten lassen."

(NGZ)
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