Kaarst Mutter gründet Forum für MS-kranke Kinder

Kaarst · Nachdem bei ihrer 15-jährigen Tochter Multiple Sklerose diagnostiziert wurde, rief Silke Groll bei Facebook eine Gruppe für Betroffene ins Leben.

 Silke Groll will auf das Problem der kindlichen MS aufmerksam machen. Für ihr Forum steht sie unter anderem in Kontakt mit der Uni Düsseldorf.

Silke Groll will auf das Problem der kindlichen MS aufmerksam machen. Für ihr Forum steht sie unter anderem in Kontakt mit der Uni Düsseldorf.

Foto: Linda Hammer

Die Diagnose, die das Leben einer ganzen Familie komplett auf den Kopf gestellt hat, kam plötzlich und unerwartet, im März 2012. Silke Grolls Tochter war damals 15 Jahre alt. Während eines Betriebspraktikums konnte die Schülerin plötzlich ihr rechtes Bein nicht mehr heben. Am Wochenende darauf kam ein Taubheitsgefühl im Arm und in der Schulter dazu.

Der Hausarzt hatte sofort eine Ahnung, nach Untersuchungen im Krankenhaus kam die Bestätigung: MS — Multiple Sklerose. Was folgte, waren erst einmal Verzweiflung und Hilflosigkeit. "Man muss sich das so vorstellen: Man steht da plötzlich mit einer Packung Spritzen und einem unheilbar kranken Kind vor einem scheinbar unüberwindbaren Berg von Fragen und ist auf sich allein gestellt", sagt Silke Groll.

Heute lebt die alleinerziehende Mutter mit ihrer Tochter in einer neuen, ebenerdigen Wohnung. Sie hat den gesamten Speiseplan auf eine fleisch-, zucker- und weizenfreie Diät umgestellt, einen zweiten Job angenommen, um alles, was die Krankenkasse an Therapien nicht übernimmt, bezahlen zu können. Und sie hat über das soziale Netzwerk Facebook eine Gruppe mit dem Namen "Kinder und Jugendliche mit Multipler Sklerose" gegründet. "Die Idee war eine spontane, in weniger als zehn Wochen ist die Mitgliederzahl explodiert", sagt Groll.

Denn: Einen geschützten Ort, an dem sich Betroffene, speziell Eltern und Kinder, über die Erkrankung, ihre Ängste und Alltagsschwierigkeiten offen und ohne Scheu austauschen können, gab es bis zu diesem Zeitpunkt in Deutschland offenbar nicht. "Die kindliche MS", sagt Silke Groll, "ist nach wie vor ein Tabuthema. Dabei gibt es nichts, was bei drängenden Problemen mehr hilft, als die geballte Alltagserfahrung anderer Betroffener."

MS ist die einfache Abkürzung für eine schwere und nach außen nicht immer sichtbare Krankheit. Sinngemäß bedeutet Multiple Sklerose so viel wie "viele harte Narben". Diese Narben sitzen auf Nervenleitungen, die die Befehle vom Gehirn an den Körper weitergeben. Ungefähr 120 000 Menschen leiden in Deutschland unter dieser chronisch-entzündliche Erkrankung des Gehirns und des Rückenmarks. Am häufigsten tritt sie um das 30. Lebensjahr herum auf. Bis zu fünf Prozent aller MS-Patienten erkranken allerdings schon vor dem 16. Lebensjahr, rund 0,5 Prozent sogar schon vor dem zehnten.

Die Symptome kommen in Schüben. Sehstörungen, Müdigkeit, Lähmungserscheinungen und Depressionen gehören zu den häufigsten. Wer erkrankt ist, muss sich starke Medikamente spritzen. Arztbesuche gehören zu einem Alltag, der ist für Silke Groll ohne Hilfe von Verwandten und Bekannten zeitlich kaum noch zu bewältigen ist. "Das Verrückte ist, dass es für Kinder mit MS in Deutschland keinerlei Unterstützung gibt", sagt sie. Wer als Erwachsener die Diagnose bekomme, habe Anspruch auf Hilfe. "Wäre mein Kind verwahrlost, hätte ich ihn auch. Mittlerweile gibt es keine Stelle, an die ich mich nicht gewand habe. Was wir bräuchten, wäre so etwas wie eine Adoptiv-Oma, jemand, der auch mal spontan einspringt, wenn es nötig ist." Was sonst noch hilft? Auf jeden Fall: Nicht unentwegt die Frage stellen "Warum wir?" Denn die, sagt Groll, halte einen nur davon ab, den Stier bei den Hörnern zu packen.

(NGZ/rl)
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