Prozess wegen Freiheitsberaubung Ex-Schüler machen sich für angeklagten Lehrer stark

Neuss · Der Lehrer einer Realschule in Kaarst, der Schüler eingesperrt und geschlagen haben soll, hat zum Prozessauftakt die Vorwürfe abgestritten. Seit Donnerstag muss er sich vor dem Neusser Amtsgericht verantworten. Dort bekam er viel Unterstützung von seinen Schülern.

Neuss: Kaarster Lehrer wegen Strafarbeit vor Gericht
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Kaarster Lehrer wegen Strafarbeit vor Gericht

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Foto: Woitsch�tzke, Andreas

Ausführlich ließ sich Jugend-Richter Heiner Cöllen am Donnerstag von Lehrer Phillip Parusel dessen Sicht der Dinge schildern. "Es war eine Doppelstunde Musik in der fünften und sechsten Stunde", erklärte der gebürtige Münchner, "Thema war: Was ist ein Virtuose?" Parusel habe den Schülern einen Film und ein Hörspiel über den Geiger Paganini vorführen wollen, schon nach kurzer Zeit sei es in der Klasse aber drunter und drüber gegangen. "Die Schüler waren laut und unruhig, gleich dreimal hab ich das Hörspiel abbrechen müssen." Als es dem Musiklehrer zu bunt wurde, griff er durch und ordnete an, dass die Schüler einen Text über Paganini abschreiben sollten. Am Ende der Doppelstunde sollten sie ihre Arbeitsblätter bei ihm abliefern.

Daraufhin jedoch sei der Unterricht wohl endgültig aus dem Ruder gelaufen. Der Lehrer setzte sich mit einer Gitarre in der Hand vor die Ausgangstür, versperrte den Weg und wollte die Arbeitsblätter einsammeln. "Wer noch nicht fertig war, durfte nicht raus", erklärte einer der betroffenen Jungen im Prozess, "einen Mitschüler hat er sogar mit dem Arm in den Magen gestoßen." Diese Vorwürfe bestätigte ein 14-jähriger Klassenkamerad weitgehend.

Schulleiter: "Im Klassenzimmer war alles wie immer"

Die Schüler, die nach eigenen Angaben ihren Bus und auch Nachhilfeunterricht verpassten, riefen daraufhin die Polizei. Die meldete sich beim völlig überraschten Leiter der Realschule. "Die Mitteilung der Leitstelle lautete: Lehrer schließt Schüler ein und schlägt sie", berichtete Schulleiter Jürgen Bosse, "ich bin daraufhin sofort zum Musikraum." Dort sei jedoch alles weitgehend wie immer gewesen. "Es sah aus, wie nach einer normalen Unterrichtsstunde." Allerdings sei kurz danach die Polizei mit drei Einsatzkräften erschienen und habe auch entsprechende Anzeigen aufgenommen.

Weil der Schüler, der angeblich in den Magen geschlagen wurde, derzeit mit seinen Eltern im Urlaub ist und nicht befragt werden konnte, konnte am Donnerstag noch kein Urteil verkündet werden. Richter Cöllen vertagte die Verhandlung auf Mittwoch, 24. August. Indes nagen die Vorwürfe ganz mächtig an Lehrer Phillip Parusel. "Das streift man nicht einfach so ab wie das Jackett zuhause", erklärte der 50-Jährige, "es brennt einem ständig unter den Nägeln. Aber ich muss lernen, damit umzugehen."

Schüler machen sich für ihren Lehrer stark

Schützenhilfe bekam er von einer Reihe ehemaliger Schülerinnen aus Neuss, die als Zuschauer im Gerichtssaal dabei waren und T-Shirts mit der Aufschrift "Free Parusel" trugen. Unterstützung bekam er auch vom Schulleiter. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass Herr Parusel gewalttätig geworden ist", so Jürgen Bosse, "er war sicherlich in dieser Stunde sehr unzufrieden, möglicherweise konnte er mit dem rabaukenhaften Verhalten auch nicht umgehen. Aber gewalttätig ist er nicht."

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