"Kaarster gegen Fluglärm" "Wir sind keine Fundamental-Opposition"

Kaarst · Der Düsseldorfer Airport will wachsen - auf rund 314.000 Flüge im Jahr. Der Flughafen rechnet bis 2030 mit 75 Bewegungen pro Stunde. Die Bürgerinitiative "Kaarster gegen Fluglärm" (KagF) unter Werner Kindsmüller protestiert gegen die Pläne.

 Werner Kindsmüller führt die Kaarster Initiative an. Rund 3200 Einwendungen gegen die Erweiterungspläne liegen aus Kaarst bislang vor. Das komplette Interview ist auf NGZ-Online zu lesen.

Werner Kindsmüller führt die Kaarster Initiative an. Rund 3200 Einwendungen gegen die Erweiterungspläne liegen aus Kaarst bislang vor. Das komplette Interview ist auf NGZ-Online zu lesen.

Foto: Tinter Anja

Wie war Ihre erste Reaktion auf das Bedarfsgutachten?

Kindsmüller Ich war verärgert. Was der Flughafen bis dahin kommuniziert hatte, klang nach weniger. Jetzt heißt es, dass der Flughafen einen Anstieg um bis zu 57 Prozent der bisherigen Flugbewegungen vorhersieht. Offenbar fährt der Flughafen die Strategie, den Regionalflughäfen wie Weeze, Münster oder Dortmund das Wasser abzugraben.

Was ist Ihr stärkster Kritikpunkt an dem Gutachten?

Kindsmüller Der Flughafen braucht keine Erweiterung, um den Bedarf der Region zu decken. Das Gutachten macht deutlich: Es ist eine egoistische Strategie ohne Rücksichtnahme auf die Anwohner und dient der reinen Profitgier. Diese Rücksichtslosigkeit des Flughafens stört mich besonders.

Sie kritisieren vor allem, dass die Flugbewegungen nach 22 Uhr um fast 50 Prozent zugenommen haben. Woran liegt es, dass der Flughafen, der doch einem Nachtflugverbot unterliegt, dieses so unterlaufen kann?

Kindsmüller Die Betriebsgenehmigung von 2005 eröffnet dem Flughafen sehr viele Spielräume. Dazu gehört z.B., dass die Fluggesellschaften, die den Home-Base-Carrier-Status (Fluggesellschaften mit einer Wartungsbasis in Düsseldorf — Anmerkung der Redaktion) haben — und das sind alle großen — bis Mitternacht ohne Sondergenehmigung und ohne Zusatzgebühr hier landen können. Zum anderen haben wir eine lasche Aufsicht durch das Verkehrsministerium. Dieses lässt zu, dass permanente Verspätungen und Missachtung der Flugpläne ohne Konsequenzen bleiben. Dabei könnte das Land auf eine stärker lärmabhängige Landegebühr drängen. Im Koalitionsvertrag ist dies geplant.

Sieht die Betriebsgenehmigung denn keinerlei Strafen oder Regeln vor?

Kindsmüller Es gibt das sogenannte Slot Performance Management Comitee. Dies soll darauf achten, dass die Regeln der Betriebsgenehmigung eingehalten werden. Es sieht sogar vor, dass Gesellschaften mit Strafzahlungen rechnen müssen, wenn sie wiederholt dagegen verstoßen. Wenn aber in dem Komitee auch die Fluggesellschaften sitzen dürfen, hat man den Bock zum Gärtner gemacht. Das Ministerium hat in der Vergangenheit nichts unternommen, um diesem Wildwuchs Einhalt zu gebieten. Das ist aber die Aufgabe einer Aufsichtsbehörde.

Warum passiert nichts — haben Sie einen Verdacht?

Kindsmüller Es gibt keine Branche, die so privilegiert ist wie der Flugverkehr. Daher musste der Flughafen auch nie Rücksicht nehmen auf die Anwohner. Deshalb sollten wir Bürger deutlich machen, dass wir uns das nicht länger gefallen lassen. Genug ist genug.

Der NRW-Verkehrsminister Groschek betont häufig die wirtschaftliche Bedeutung des Flughafens. Teilen Sie diese Meinung?

Kindsmüller Wir bestreiten überhaupt nicht die große wirtschaftliche Bedeutung. Es ist auch nicht das Ziel unseres Vereins, den Flughafen zu bekämpfen. Aber seine Profitgier sollte weder zu Lasten anderer Regionalflughäfen noch der Bürger gehen. Was passiert, wenn Ryan Air nach Düsseldorf geht? Dann würde Weeze schließen müssen. Auch Dortmund oder Münster/Osnabrück könnte das drohen.

Sie sind selbst SPD-Mitglied, waren viele Jahre Landesgeschäftsführer der SPD Schleswig-Holstein, wurden von Wolfgang Clement in seiner Zeit als Ministerpräsident in die Staatskanzlei geholt, arbeiteten dort weiter unter Peer Steinbrück. Inwieweit fühlen Sie sich der SPD-Parteilinie verpflichtet?

Kindsmüller Gar nicht. Ich kämpfe gegen den Fluglärm als Bürger von Kaarst und fühle mich dem Verein und seinen Mitgliedern verpflichtet.

Der Verein wurde vor drei Jahren gegründet. Was haben Sie seitdem erreicht?

Kindsmüller Das Thema wird mittlerweile von allen Kaarster Parteien unterstützt, das Bewusstsein über den Fluglärm ist breit verankert und unsere Forderungen werden als nachvollziehbar wahrgenommen.

Was ist jetzt Ihr Ziel?

Kindsmüller Wir erwarten, dass der Antrag des Flughafens zurückgewiesen wird. Denn wir halten ihn für nicht genehmigungsfähig. Zudem soll ab 22 Uhr Schluss sein mit dem Flugverkehr. Wir sind keine Fundamental-Opposition, wir wissen um die Bedeutung des Flughafens. Aber jeder muss Lärmvorschriften berücksichtigen — nur der Flughafen nicht. Die Gesundheit der Bürger ist ein hohes Gut. Wichtiger als das Recht, um 23 Uhr von Palma zurückfliegen zu können.

Bis zum 6. Juli sammeln Sie Unterschriften auf vorformulierten Einwendungen, die an die Bezirksregierung gehen. Sie haben als Ziel 5000 Unterschriften genannt. Wieso diese Zahl?

Kindsmüller Wir haben etwa 20.000 Haushalte in Kaarst. Wenn jeder vierte Haushalt gegen die Flughafenpläne Einwand erhebt, wäre dies ein deutliches Signal.

BÄRBEL BROER FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(NGZ)
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