Kamp-Lintfort Achtung, Satire: Theater lässt Hitler zurückkehren

Kamp-Lintfort · Das Westfälische Landestheater gastierte mit einer bissigen Hitler-Satire in der Stadthalle in Kamp-Lintfort.

Was wäre, wenn Hitler plötzlich von den Toten auferstehen würde? Wie würden wir auf ihn reagieren? "Das kann nur einer von Stefan Raab oder vielleicht der Kerkeling sein", denkt sich ein Berliner Kioskbesitzer, dem plötzlich ein kleiner, leicht verwirrter Mann mit Oberlippenbärtchen und brauner Uniform gegenüber steht, der ihn mit schnarrender Stimme nach dem aktuellen Datum fragt.

Doch in diesem Fall ist es wirklich der alte Adolf, und der ist keineswegs gewillt, sich lediglich mit einer Rolle als überkandidelter Hitler-Darsteller zufrieden zu geben. "Er ist wieder da", hieß ein zeitgenössisches Theaterstück nach dem 2012 erschienen gleichnamigen Romanbestseller von Timur Vermes, mit dem das Westfälische Landestheater am Dienstag in der Kamp-Lintforter Stadthalle zu Gast war.

Dabei gab es in dem als "Hitler-Satire" angekündigten Stück allerdings nur wenig zu lachen. Obwohl der wieder erwachte Despot anfangs noch reichlich amüsant darum bemüht war, sich in der neuen aus Smartphon, Twitter und Youtube bestehenden Welt zurecht zu finden, blieb den Zuschauern das anfängliche Lachen schon bald im Halse stecken. "Wie, Sie sind immer noch Amateur, und das bei dieser Nummer?", wunderte sich der Kioskbesitzer, nachdem das kleine, braune Männchen sich beharrlich als Adolf Hitler betitelte, und aktivierte daraufhin zwei ihm bekannte Vertreter einer Firma für Comedy-Produktionen.

"Die Polen-Nummer haben sie aber gut einstudiert", findet man dort nach einer von Hitler vorgetragenen Propagandarede und macht ihn in der Hoffnung auf zunehmende Einschaltquoten spontan zu einem nationalsozialistischen Gegenpart in einer regelmäßig im Fernsehen ausgestrahlten, multikulturellen Comedy-Sendung. Mit riesigem Erfolg. Schon bald hat der vermeintliche Hitler-Darsteller mehr als 700 000 Einschaltklicks auf Youtube und darf seine politischen Ansichten in einer eigens auf ihn abgestimmten Befragungsshow auf den Straßen Berlins verbreiten. Als ihm wenig später dafür auch noch der höchste Fernsehpreis verliehen wird, wird er endgültig zum Star. "Ich sage nur das, was das Volk empfindet", verkündet er bei der Preisverleihung und attackiert anschließend seine Produktionsfirma mit der Forderung: "Wo bleibt in Ihrem Programm eigentlich der Rassegedanke? Es wird Zeit, dass die Volkschädlinge endlich ausgemerzt werden."

An dieser Stelle hatte sich die anfängliche Heiterkeit in den Zuschauerreihen bereits in eine beklemmende Unbehaglichkeit verwandelt, was sicherlich beabsichtigt war, denn Timur Vermes' Romanvorlage zu dem Theaterstück ist alles andere als eine harmlose Humoreske, sondern prangert mehr die zynische, ohne Moral auf Einschaltquoten fixierte Enthemmung unserer modernen Medienwelt an. "Ziemlich anstrengend", fand denn auch eine Theaterbesucherin nach einem eher verhaltenen Applaus am Ende. Bei der nächsten Theatervorstellung in der Kamp-Lintforter Stadthalle am 15. März um 20 Uhr präsentiert das Landestheater des Kreises Wesel unter dem Titel "Männerhort" eine raffinierte Komödie über weiblichen Einkaufsrausch und männliche Rückzugsrefugien. Vorverkaufskarten zum Preis von 13 bis 17 Euro gibt es in der Kamp-Lintforter Buchhandlung am Rathaus, Moerser Straße 239-

(lang)
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