Kamp-Lintfort Bilder laden ein zu einer Reise ins Ich

Kamp-Lintfort · Bettina Hachmann gestaltet ein "Kunstschaufenster" in der Galerie Schürmann. Heute Abend ist die Vernissage.

 Bettina Hachmanns Gemälde haben keine Titel. "Die würden viel zu stark einschränken", sagt die Künstlerin.

Bettina Hachmanns Gemälde haben keine Titel. "Die würden viel zu stark einschränken", sagt die Künstlerin.

Foto: KLaus Dieker

"EinBlick" lautet der Titel des Ausstellungskatalogs der Künstlerin Bettina Hachmann. Doch es lohnt sich, nicht nur einen, sondern zwei, drei, vier intensive Blicke zu wagen auf ihr Werk. Denn es vermittelt tiefe Einblicke in die Vielschichtigkeit des Lebens und kann eine Entdeckungsreise in die eigene Seele sein. Die 33 teils großformatigen Bilder, die Hachmann in der Galerie Schürmann im Rahmen des "Kunstschaufensters" ausstellt, erscheinen nur bei oberflächlicher Betrachtung wie eine monotone Symphonie in Grau. Lässt man die Arbeiten auf sich wirken, entdeckt man Farben, die durch die freigelegten Farbschichten hindurchleuchten. Man entdeckt lebendige Strukturen, Kontraste, Brüche, Risse und Narben.

"Das Grau ist auch ein Kontrapunkt zu dem, was auf der Straße und im Alltag alles passiert. Es hat eine ganz eigene Ruhe und lädt zum Verweilen ein", erklärt die Künstlerin. Sie trägt bei ihren Bildern bis zu 15 Farbschichten auf und in verschiedenen Trocknungsphasen wieder ab. Dadurch wirken die Flächen verlebt und verwittert, und je nach Lichteinfall erscheint die Farbigkeit der tieferen Schichten. Eine Allegorie für das Leben? "Die Bilder nehmen den Betrachter mit auf eine ganz individuelle Reise - deshalb haben sie auch keinen Titel. Denn die würden viel zu stark einschränken", sagt Hachmann.

So denkt der eine bei den senkrechten Strichen, die sich auf vielen Arbeiten finden, an Selbstverletzung, ein anderer an wogendes Gras, der dritte vielleicht an eine Gefängnismauer, an der ein Gefangener die Tage abstreicht. In jedem Fall lösen Assoziationen und Gefühle aus. Sie verstören oder beruhigen, regen zur Auseinandersetzung an oder lassen verstummen.

"Der Entstehungsprozess jedes Bildes ist langsam und anstrengend. Es braucht Ausdauer und Beharrlichkeit. Die Kraft und Energie, die ich in das Bild investiere, überträgt sich auf den Betrachter", sagt die Künstlerin, die im Schloss Wissen bei Weeze das passende Umfeld zum Arbeiten gefunden hat. Ihre Inspiration bezieht die vierfache Mutter aus der Natur, aus Reisen, zum Beispiel nach Marokko, und aus dem prallen Leben. Seit 20 Jahren arbeitet die 49-Jährige als Malerin. In diesem Jahr hat sie sich erstmals mit der Herstellung von Drucken auf "Neuland" begeben und diesen Teil der Ausstellung auch "Neuland" genannt. Nachdem sie sich lange überhaupt nicht vorstellen konnte, mit Druckverfahren und Grafiken zu arbeiten, hat sie nun mit der sogenannten Carborundum-Radierung eine Alternative zum Malen gefunden. Der Vorgang, bei dem eine Kupferplatte mit Harz beschichtet und anschließend eingeritzt wird, ist ähnlich sinnlich, anstrengend und aufwendig. Durch die Reproduzierbarkeit sind diese Werke auch für den kleineren Geldbeutel erschwinglich, ebenso wie die kleinen Holzobjekte mit den charakteristischen Linien, die extra für das Kamp-Lintforter "Kunstschaufenster" entstanden sind. Galerist Andreas Verfürth freut sich auf die Ausstellung von Bettina Hachmann. Es ist bereits die fünfte in der Galerie Schürmann. Er möchte Mut machen, vorbeizuschauen und sich zu tiefen Einblicken inspirieren zu lassen, auch ohne Kaufabsicht.

(rauh)
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