Kamp-Lintfort Das Rübenkraut ist hier Tradition

Kamp-Lintfort · 250 Jahre lang stellte die Krautfabrik Bornheim Sirup aus Zuckerrüben und Äpfeln her. Liesel Hannen führt die Tradition ihrer Familie in ihrem Hofladen weiter. Angeschlossen ist eine kleine Ausstellung über die Rübenkrautverarbeitung.

 Liesel Hannen (links) mit ihren Stammkunden Dieter und Eva Zeglin.

Liesel Hannen (links) mit ihren Stammkunden Dieter und Eva Zeglin.

Foto: Siegfried Wensierski

Seit 1981 wird auf dem Bauernhof im Kamperbrück kein Rübensirup mehr produziert. Die Tradition hinter sich lassen, kann Liesel Hannen aber nicht. Ihren Großeltern gehörte die Rübenkrautfabrik Bornheim. Die 57-jährige ist mit dem klebrig, braunen Brotaufstrich aufgewachsen, über 250 Jahre lang wurde hier von ihrer Familie Sirup und Marmelade hergestellt. "Da kam so einiges zusammen. In guten Jahren hatten wir 150 Tonnen Rübenkraut, 50 Tonnen Apfelkraut und 75 Tonnen Marmelade hergestellt. Da hat jeder in der Familie mitangepackt", sagt Hannen. Geliefert wurde dann sogar bis Wuppertal und Köln. "Wir hatten in ganz Nordrhein-Westfalen Abnehmer für unsere Produkte, gerade das Rübenkraut war und ist sehr beliebt", fügt sie noch hinzu.

Seit ein paar Jahren nun ist die Krautfabrik Bornheim im Ruhestand. Seit Anfang der 80er Jahre das Kesselhaus abgebrannt ist, wird kein Sirup mehr produziert. "Aber es gibt uns immer noch", sagt Liesel Hannen. "Wir lassen unser Kraut nach Bornheimer Verfahren in einer Fabrik hier in der Nähe herstellen."

Liesel Hannen wird nie müde, die alten Geschichten zu erzählen. "Nach dem Krieg hat mein Vater mit seinem Bruder die Zuckerrübenkrautproduktion im Haupterwerb gemacht, aber es wurde immer schwieriger, davon eine große Familie zu ernähren. Es gab Zeiten, da mussten wir wirklich mit sehr wenig auskommen" Daher musste der Vater in den 70er Jahren einen Job bei einer Pneumatikfirma annehmen. Rübenkraut wurde nur noch im Nebenerwerb produziert. "Mein Vater konnte nicht so einfach damit aufhören. Für ihn war es schon eine Leidenschaft."

Und diese hat Liesel Hannen übernommen, denn auch wenn in der Krautfabrik schon lange nichts mehr produziert wird, so verkauft sie in ihrem Lädchen weiter den bekannten Rübenkrautsirup. Darüber hinaus haben es Säfte von Obst und Gemüse aus der Region und sogar Brotbackmischungen in die Regale geschafft. "Die Backmischungen stammen auch hier aus der Region. Da hat mich eine Kundin drauf gebracht."Auf frisch gebackenem Brot schmecke das Bornheimer Rübenkraut hervorragend, betont sie noch. Sie selbst isst den Sirup am liebsten auf Schwarzbrot mit Käse. "Das ist sehr gesund. In meiner Familie sind alle sehr alt geworden. Mein Onkel ist 93 Jahre alt, und Apfelkraut steht jeden Tag auf seinem Speiseplan."

Und auch Dieter Zegelin aus Mönchengladbach schwört auf den Kamp-Lintforter Sirup. Seit einem Jahr kommt er regelmäßig mit seiner Frau Eva, um sich mit niederrheinischen Kraut einzudecken. "Wir nehmen das immer als Gastgeschenke mit, für unsere Freunde in Norddeutschland. Die wollen gar nichts anderes mehr essen", sagt Eva Zegelin. Ihr Mann (69) fügt hinzu: "Sie können sich das gar nicht vorstellen, vor einem Jahr hab ich mit meiner Frau eine Radtour unternommen, und da sind wir hier vorbei gefahren." Sofort seien Kindheitserinnerungen in ihm wachgeworden. Vor über 60 Jahren kam er schon regelmäßig mit seiner Oma zur Krautfabrik. "Da sind wir über zehn Kilometer mit dem Fahrrad, ich hinten mit dem Kissen auf dem Gepäckträger und haben hier das Kraut im Eimer gekauft", schwärmt Dieter Zegelin. Schmecken würde es immer noch wie in seiner Kindheit.

Aber auch sonst hat sich wenig verändert, im hinteren Teil hat Liesel Hannen ein kleines Museum eingerichtet. Dort sieht man ganz genau, wie früher das Kraut verarbeitet wurde. Die alten Zapfanlagen sind ebenfalls noch vorhanden. "Durch die Arbeit in der Pneumatikfirma hatte mein Vater Zugang zu vielen Ersatzteile, die uns hier geholfen haben. Er hat sehr viel getüftelt", sagt Hannen. Einen Raum weiter fühlt man sich in ein Wohnzimmer vergangener Tage versetzt. Kein Wunder, ist es doch das alte Wohnzimmer der Großeltern. "Hier haben wir alle gemeinsam den abgefüllten Sirup etikettiert, meine Oma bis ins hohe Alter, weit über die 80 Jahre hinaus." Mittlerweile werden hier allerdings nur noch Kaffeerunden abgehalten. Dann können Gäste vorbei kommen, sich das Museum angucken und die leckeren Produkte probieren.

(dabv)
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