Kamp-Lintfort Deutschland-Versteher mit Zertifikat

Kamp-Lintfort · Flüchtlinge aus Afghanistan und Iran haben in einem Kurs der Awo-Integrationsagentur den deutschen Alltag trainiert und sich mit Aspekten der deutschen Gesellschaft beschäftigt. An ihren Sprachkenntnissen müssen sie aber noch feilen.

 Lehrerin Fouzia Rona (links) und Lehrer Shahram Siar (rechts) mit Abdulsamee und Zahra Habibi sowie deren Kindern Mohammed Yasin, Samira und Suraya.

Lehrerin Fouzia Rona (links) und Lehrer Shahram Siar (rechts) mit Abdulsamee und Zahra Habibi sowie deren Kindern Mohammed Yasin, Samira und Suraya.

Foto: fischer

Es ging um Demokratie, Menschenwürde und -rechte, Gleichheit vor dem Gesetz, Glaubens- und Meinungsfreiheit, Familie und Erziehung wie auch Partnerschaft, Sexualität und Schwangerschaft: 120 Stunden lang hat sich eine neunköpfige Gruppe, fünf Frauen und vier Männer, mit unterschiedlichen Fragestellungen auseinandergesetzt. Sie haben ihre Heimatländer wie Afghanistan und Iran verlassen und bereiten sich auf ihr neues Leben in Deutschland vor. Die Awo-Integrationsagentur Kamp-Lintfort in Zusammenarbeit mit dem Essener Awo-Bezirksverband hat dem Personenkreis dazu kostenfrei das nötige Rüstzeug gegeben. "Basis" nennt sich das Projekt, das Kürzel steht für Bildung, Anleitung, Stärkung interkultureller Sozialkompetenz. In sechs Modulen hat sich die Gruppe ausgetauscht, diskutiert und in Rollenspiele und Übungen den deutschen Alltag trainiert.

"Der Nutzen des Kurses fließt in ihr Alltagsleben ein und wird zuhause umgesetzt", sagt Michaela Rosenbaum, Referatsleiterin. Die Erfahrungen, sind vielschichtig. Teilnehmer berichten von einem veränderten familiären Miteinander. Statt der autoritären Haltung des Ehemanns habe sich ein partnerschaftliches Verhältnis zwischen Mann und Frau entwickelt. Der Mann nehme mehr Rücksicht. Profitiert habe davon der Sohn, der seine Eltern neu erlebe. "Die familiären Verhältnisse haben sich verbessert", so Rosenbaum.

Neuland bot sich den Teilnehmern beispielsweise im Themenbereich Familie und Erziehung, inklusive der Möglichkeit, eigene Kinder in die Kita zu geben. Überraschend in der Runde sei die Information gewesen, welche gesundheitliche Vorsorge in der Schwangerschaft gegeben wird. Angesprochen wurden auch Missbrauch und sexuelle Gewalt und die Vielfalt der Hilfe- und Beratungsangebote. Rosenbaum: "Da die Gesprächsrunden im geschützten Raum stattfanden, kamen viele Themen zur Sprache, mit denen die Teilnehmer noch nicht umgehen können, wie ihre Situation nach der Flucht."

Die Gruppe traf sich seit Juli regelmäßig. Die Teilnehmer sind zwischen zwei Jahren und elf Monaten in Deutschland. Das Alter liegt zwischen 22 und 56 Jahren. Die meisten Lebensbereiche gestalten sich für die Teilnehmer neu, sei es die Ausübung der Religion in einer örtlichen Moschee oder aber der Umgang mit amtlichen Schreiben und dem dazugehörige gesetzlich geregelten Widerspruch, wie auch Einrichtungsleiterin Olga Weinknecht betont. "Gerade bei Asylverfahren muss man bei einem negativen Bescheid umgehend reagieren." Mit zur positiven Bilanz gehört, dass mehr Verständnis für die deutsche Kultur entstanden sei. Erschwerend hingegen sei, dass mancher der Teilnehmer nicht der Schrift mächtig sei und kaum Deutschkenntnisse habe. Auch fehle der Flüchtlingsstatus. Afghanistan gilt als "teilweise sicheres Land".

Mit Stolz nahmen die Teilnehmer ihre Zertifikate entgegen, die keinen amtlichen Charakter haben, aber deutlich den Willen zur Integration dokumentieren.

(sabi)
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