Kamp-Lintfort Gartenschau zwischen Zeche und Kloster

Kamp-Lintfort · Mit dem Zuschlag an Kamp-Lintfort als Ausrichter der Landesgartenschau 2020 belohnt die Auswahlkommission ein Konzept, das den Strukturwandel in der einstigen Zechenstadt mit bürgerschaftlichem Engagement vorantreiben will.

 Der Garten und das Zisterzienserkloster.

Der Garten und das Zisterzienserkloster.

Foto: dpa, rwe

Die gute Nachricht war den Kamp-Lintfortern ein Lied wert, eigens komponiert, um Mitbewerber auszustechen. Ein nach Düsseldorf gereister Schülerchor stimmte den Song gestern noch einmal für Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) an, nachdem dieser im Landtag verkündet hatte, dass die Landesgartenschau 2020 an die Stadt am Niederrhein geht. "Die Auswahlkommission hat eine einstimmige Entscheidung getroffen", sagte der Minister. Zwar hätten, so der Chef der Auswahlkommission, Michael Becker, auch Bad Honnef und die Emscherregion mit den Städten Recklinghausen, Castrop-Rauxel, Herne und Herten "Top-Bewerbungen" abgeliefert, doch habe es am Ende keinen anderen Sieger geben können als Kamp-Lintfort.

In der Bergbau-Kommune werden bis 2020 rund 16 Millionen Euro investiert. Davon werden geschätzte zehn Millionen Euro für die Realisierung aller Ideen auf dem Zechengelände benötigt. Die Maßnahmen würden vom Land mit fünf Millionen Euro gefördert. Im Durchführungshaushalt der Stadt werden 9,6 Millionen Euro benötigt. Sie müssen sich durch die Eintrittsgelder refinanzieren. Die Stadt erwartet bis zu 845.000 Besucher. Doch ganz allein muss die Kommune diese Summe nicht tragen. Auch Sponsoren wie die RAG Immobilien GmbH unterstützen das Projekt.

"Kloster, Kohle, Campus" lautet der Slogan, mit dem die 37.000 Einwohner große Stadt ins Rennen gegangen war. Das Konzept sieht vor, das auf einem Hügel gelegene ehemalige Zisterzienserkloster Kamp unter Einbeziehung eines Bachlaufs mit dem Gelände des im Dezember 2012 stillgelegten Bergwerks West zu verbinden. Auf das Bergwerksgelände soll ein temporärer Veranstaltungsbereich kommen mit Hallenschauen und Gärten der Zukunft. Dauerhaft solle eine Art "Central Park" gebaut werden, so SPD-Bürgermeister Christoph Landscheidt. Neben dem Gelände soll zudem ein neuer Stadtteil entstehen mit Gewerbeflächen für die Logistik-Branche und einem Wohnviertel.

Die Vergabe der Landesgartenschau wird sich auch positiv auf die Infrastruktur Kamp-Lintforts auswirken. Die Stadt könnte endlich einen Bahnanschluss erhalten. NRW-Verkehrsminister Groschek (SPD) will sich dafür einsetzen, dass der Bahnanschluss kommt. "Das Land hat daran ein herausragendes Interesse." Es wäre nicht zu verstehen, würde man dieses Stadtentwicklungsprojekt nun nicht realisieren.

2007 hatten eine Mitarbeiterin der Stadtverwaltung und ein Landschaftsarchitekt zum ersten Mal das Projekt "Laga 2020" in die Diskussion geworfen. Ein Jahr zuvor hatte der Siemens-Nachfolger Benq die Handy-Herstellung in einem Gewerbegebiet gegenüber der Zeche eingestellt. 2000 Arbeitsplätze waren verloren gegangen. Da erschien die Idee, eine Landesgartenschau in die Stadt zu holen, anfangs selbst einigen Kamp-Lintfortern als eher abwegig. Das änderte sich schnell, nachdem sich Landscheidt hinter das Projekt stellte und parteiübergreifend eine Koalition schmiedete.

Der Bund der Steuerzahler begrüßt die Entscheidung des Landes, die Gartenschau nach Kamp-Lintfort vergeben zu haben. "Die Stadt ist offenbar darauf bedacht, dass die Flächen anschließend weiter genutzt werden und nicht abgerissen werden müssen", sagt Sprecherin Bärbel Hildebrand. Die Integration des Geländes der stillgelegten Zeche in die Landesgartenschau zeuge von einem Konzept der nachhaltigen Stadtentwicklung. "Wenn nachfolgende Investitionen angestoßen werden, ist das gut und sinnvoll", sagt Hildebrand. Sie warnt jedoch vor zu großen Einzelprojekten wie Großbühnen oder überdimensionierten Pavillons, die anschließend niemand mehr bräuchte, die aber weiter unterhalten werden müssten. "Diese Folgekosten können dann gerade für klamme Kommunen im Nachhinein zu einem Groschengrab werden", betont die Expertin. Als Beispiel nennt sie die letzte Landesgartenschau in Zülpich 2014. Auch wenn dort mit 530.000 Besucher deutlich mehr kamen als erwartet worden waren, erwies sich die eigens für die Laga gebaute Seebühne im Nachhinein offenbar als Fehlinvestition. Geplante Folgekonzerte wurden mangels Interesse abgesagt.

Insgesamt überwiegt aber der Nutzen für die ausrichtenden Städte - das gilt auch für Zülpich. In Bad Lippspringe, wo in zwei Jahren die nächste Laga stattfinden wird, investiert man die Fördergelder unter anderem in die Infrastruktur der Stadt. "Wir erneuern mit den Geldern unter anderem das marode Kanalsystem und gestalten den Marktplatz neu", sagt Matthias Hack, Sprecher der Laga 2017.

(RP)
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