Strafanzeige wegen Nötigung Kamp-Lintforter Schüler (13) mussten sich angeblich vor Lehrer ausziehen

Kamp-Lintfort · Es ist ein schwerer Vorwurf, dem die Staatsanwaltschaft Kleve derzeit nachgeht. Zwei 13 Jahre alte Schüler mussten sich in Kamp-Lintfort angeblich vor den Augen des Schulleiters der städtischen Realschule bis auf die Unterhose ausziehen. Und das offenbar nur, weil der Rektor sie verdächtigt hatte, etwas in den Umkleidekabinen einer Turnhalle gestohlen zu haben. Dem war aber nicht so, wie sich herausstellte.

 Die Turnhalle der städtischen Realschule an der Sudermannstraße in Kamp-Lintfort.

Die Turnhalle der städtischen Realschule an der Sudermannstraße in Kamp-Lintfort.

Foto: Christoph Reichwein

"Die Erziehungsberichtigten der beiden haben deswegen Strafanzeige wegen Nötigung erstattet. Wir haben Ermittlungen aufgenommen und gehen den erhobenen Vorwürfen nach", sagte der Sprecher der zuständigen Staatsanwaltschaft in Kleve.

Schulleiter für Stellungnahme nicht erreichbar

Der betroffene Schulleiter war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Die Bezirksregierung Düsseldorf als zuständige Schulaufsichtsbehörde wollte sich mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen nicht zu dem Fall äußern. "Die Sachverhaltsermittlung obliegt zunächst der Staatsanwaltschaft. Da das strafrechtliche Verfahren nach unserem Kenntnisstand noch nicht abgeschlossen ist, liegen der Bezirksregierung Düsseldorf keine weiteren Informationen vor", teilte die Behörde schriftlich mit.

Die beiden betroffenen Schüler gehen auf die Europaschule in Kamp-Lintfort. Diese liegt direkt neben der städtischen Realschule. Die beiden waren in der Turnhalle, die gerade von Realschülern wegen eines Sportfestes belegt war, von einem Lehrer entdeckt worden. Da sie dort eigentlich nichts zu suchen hatten, verdächtigte der Lehrer sie offenbar, in den Umkleidekabinen etwas gestohlen zu haben und brachte sie deshalb zum Schulleiter. Einer der beiden Schüler sagte dem WDR: "Der hat uns nochmal gefragt, ob wir etwas geklaut haben, da haben wir dann nein gesagt, wir haben sogar die Taschen gezeigt, aber das war ihm nicht genug und dann hat er uns eben zur Wahl gestellt: Ausziehen oder Polizei. Mein Herz hat so gerast. Ich wusste ja nicht, was mich jetzt erwartet. Er hat gesagt: Ausziehen oder Polizei." Daraufhin sollen sich die Schüler zunächst bis auf die Unterhose ausgezogen haben — und auch dieses Kleidungsstücks mussten sie sich auf Anweisung entledigen. Außerdem gaben die beiden Jugendlichen an, dass andere Schüler den Raum betreten hätten, als sie sich ausziehen mussten. Das hätten sie als eine zusätzliche Demütigung empfunden.

"Der Vorwurf des Diebstahls war völlig aus der Luft gegriffen"

Rechtsanwalt Jochen Gutermuth vertritt die Eltern eines betroffenen Jungen. Für ihn ist das ein ungeheuerlicher Vorgang. "Schon allein der Vorwurf des Diebstahls war völlig aus der Luft gegriffen. Dafür gab es überhaupt keinen Grund. Niemand hatte dort irgendetwas vermisst", sagt Gutermuth. "Auch die Drohung, die Polizei zu verständigen, war haltlos." Dazu befürchten die beiden 13-Jährigen, dass sie sich auch auf ihrer Schule Spott über den Vorgang anhören müssen. Die städtische Realschule und die Europaschule liegen in einem Gebäudekomplex, beide Lehrinstitute sind auch in Teilen verwaltungstechnisch miteinander verbunden, beispielsweise durch ein gemeinsames Sekretariat.

Der Fall soll sich bereits vor einigen Wochen ereignet haben. Die Staatsanwaltschaft nahm aber erst jetzt die Ermittlungen auf. Dabei hatten die Eltern unmittelbar nach dem Vorfall Anzeige bei der Polizei erstattet. Diese leitete den Fall dann an die Staatsanwaltschaft weiter. "Die haben zunächst aber keine Ermittlungen aufgenommen, weil sie dafür keinen Grund gesehen haben. Das ist nicht zu erklären", sagt Gutermuth. Gegen diese Entscheidung habe er dann Beschwerde bei der Generalstaatsanwaltschaft in Düsseldorf eingelegt. "Und heute wurden die Ermittlungen dann endlich aufgenommen", so der Rechtsanwalt, dem so ein Fall zuvor noch nie untergekommen ist.

Die als "Europaschule in NRW" zertifizierte Sekundarschule, auf die die beiden 13-Jährigen gehen, hat sich Schulsozialarbeit als wichtige Säule ins Konzept geschrieben. Dazu zählt Beratung für Eltern und Kinder bei Streit und Angst vor der Schule, aber auch bei Ungerechtigkeit und Gewalt.

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