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Christoph Müllmann Kommunen benötigen mehr Vorlaufzeit

Moers · In Kamp-Lintfort leben aktuell etwa 267 Flüchtlinge aus unterschiedlichen Ländern. Die Stadt hat zusätzlich Wohnungen angemietet. Sozialdezernent Christoph Müllmann gibt eine Einschätzung der Lage.

Herr Müllmann, die Stadt Moers musste innerhalb von zwei Tagen eine Notunterkunft für mehr als 100 Flüchtlinge schaffen. Kann das auch Kamp-Lintfort passieren?

Müllmann Das ist schwer einzuschätzen, weil es darüber keine offizielle Auskunft der Bezirksregierung gibt. Wir haben aber den Eindruck, dass die Städtegröße ein Kriterium sein könnte. Es wurden bislang nur kreisfreie und die größten Städte in Kreisen aufgefordert, Notunterkünfte zu schaffen. Moers ist die größte Stadt im Kreis Wesel. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass auch Kamp-Lintfort gebeten wird, eine zentrale Aufnahme herzurichten.

Wäre die Stadt Kamp-Lintfort für diesen Fall gewappnet?

Müllmann Da die Dimension und die Zeitabläufe unklar sind, kann man sich nicht wirklich vorbereiten. Es gab in der Verwaltung aber bereits einen Gedankenaustausch, was zu tun ist. Aber das ist alles noch zu vage. Es muss aber möglich sein, dass das Land den Kommunen mehr Vorlaufzeit gewährt als nur zwei Tage. Der aktuelle Flüchtlingsstrom kommt ja nicht aus heiterem Himmel.

Wie viele Menschen sind aktuell in Kamp-Lintfort zu Gast?

Müllmann Es sind Stand Wochenende 267 Personen, darunter 67 Kinder. Die Menschen kommen aus Albanien, Serbien, Eritrea, Syrien, Mazedonien, dem Irak und vielen anderen Ländern. Allerdings stellen wir fest, dass ein großer Teil der Flüchtlinge, die in Kamp-Lintfort leben, keine Kriegsflüchtlinge sind. 127 Menschen kommen als Asylsuchende vom Balkan. Verfahren für Asylbewerber aus dieser Region haben in den seltensten Fällen Erfolg, da die Betroffenen meist nicht politisch verfolgt sind, sondern aus sicher nachvollziehbaren wirtschaftlichen Gründen zu uns kommen. Es wäre wichtig und sinnvoll, in diesen Fällen das Asylverfahren zu verkürzen. Die langen Verfahrensdauern sind für niemanden gut. Es muss außerdem eine Lösung für die Kosten gefunden werden.

Inwiefern?

Müllmann Schätzungen gehen davon aus, dass die Aufwendungen in diesem Jahr in Kamp-Lintfort 1,2 Millionen Euro betragen werden. Vom Land erhalten wir etwa 765 000 Euro. 2013 hatten wir Aufwendungen in Höhe von 375 000 Euro, der Landeszuschuss belief sich auf rund 170 000 Euro. Außerdem kommt hinzu, dass wir die Personalstellen in dem Bereich auf fünf aufgestockt haben, was nochmal 250 000 Euro ausmacht. Es kann nicht sein, dass die Kommunen am Ende auf diesen Kosten sitzen bleiben. Es ist eigentlich Aufgabe und Problem des Bundes, sie zu 100 Prozent zu tragen.

Gelingt es, die Flüchtlinge in Kamp-Lintfort gut unterzubringen?

Müllmann Wir haben zusätzlich zu unserem Flüchtlingsheim an der Friedrichstraße mehrere Wohnungen im ganzen Stadtgebiet angemietet. Zusätzlich können wir - zumindest fürs nächste Jahr - Flüchtlinge in den Wohnungen der Bunten Riesen unterbringen. Es handelt sich jedoch nur um eine Übergangs- und Notlösung. Die Wohnungen stehen spätestens dann nicht mehr zur Verfügung, wenn die Hochhäuser ab 2016 abgerissen werden.

Erleben Sie in Kamp-Lintfort eine ebenso große Hilfsbereitschaft der Bürger, wie es jetzt in Ihrer Nachbarstadt Moers der Fall ist?

Müllmann Ja, sehr. Der Arbeitskreis der Theologen in Kamp-Lintfort hat schon vor Monaten beschlossen, sich in der Flüchtlingshilfe zu engagieren. Viele kirchliche Einrichtungen sind aktiv. Außerdem hat sich der Verein "Integration Flüchtlinge" gegründet. Die Ehrenamtlichen sollen Ansprechpartner für die Menschen sein - bei allen Dingen des alltäglichen Lebens. Sie helfen den Flüchtlingen mit Rat und Tat dabei, sich hier zurechtzufinden. Es gibt außerdem viele Privatleute, die die Menschen mit Sachspenden unterstützen wollen. Wir haben eine Mitarbeiterin beauftragt, die ehrenamtliche Hilfe zu koordinieren.

Sie arbeiten in der Flüchtlingshilfe mit dem Internationalen Bund zusammen?

Müllmann Wir arbeiten schon seit Jahren zusammen, weil der Internationale Bund große Erfahrung in der Unterstützung von Asylbewerbern hat. Er übernimmt die soziale Betreuung, macht Kursangebote und koordiniert die Sprachförderung. Er ist Anlaufstelle für die unterschiedlichsten Bereiche und Fragen, ob es um die Einschulung der Kinder geht oder um das Ausfüllen von Anträgen. Der Internationale Bund, der ein Büro im Flüchtlingsheim hat, ist für die Menschen, die zu uns nach Kamp-Lintfort kommen, der erste Ansprechpartner.

Gab es in der Vergangenheit bereits einmal einen so großen Flüchtlingsstrom wie heute?

Müllmann Ja, das war zu der Zeit des Jugoslawien-Kriegs. Es kamen überproportional viele Flüchtlinge aus Bosnien nach Kamp-Lintfort. Damals lebten über 2000 in unserer Stadt. Das hing auch damit zusammen, dass viele Bergmannsfamilien ihre Angehörigen nach Deutschland geholt hatten.

RP-REDAKTEURIN ANJA KATZKE FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(RP)
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