Kamp-Lintfort Orthopädie-Schuh aus dem 3-D-Drucker

Kamp-Lintfort · Studenten der Hochschule Rhein-Waal entwickeln zusammen mit Behinderten individuelle Hilfsgeräte, die das alltägliche Leben erleichtern. Am Wochenende trafen sie sich in der Hochschule zum ersten "Help Camp".

 Adriana Cabrera, Cinderella Glücklich, Niels Lichtenthäler und Karsten Nebe zeigen eine Orthese, einen orthopädischen Schuh und einen Prothesenschaft direkt aus dem 3D-Drucker.

Adriana Cabrera, Cinderella Glücklich, Niels Lichtenthäler und Karsten Nebe zeigen eine Orthese, einen orthopädischen Schuh und einen Prothesenschaft direkt aus dem 3D-Drucker.

Foto: Arnulf Stoffel

Seit ihrer Geburt kann Cinderella Glücklich ihre Beine nicht wie andere Menschen bewegen. "Mein Gehirn hatte Sauerstoffmangel", erzählt die 25-jährige studierte Journalistin. "Der Schaltkreis zu den Beinen ist unterbrochen." So lernte sie, mit Krücken wenigstens kurze Stücke zu laufen. "Etwas Bewegung ist gut", sagt sie. "Zuviel ist eine Belastung." So hält sie immer Ausschau nach Wegen, die ihr das Leben erleichtern, zum Beispiel einen Schalter, auf den sie drücken kann, damit ein Elektromotor die Vorhänge vor den Fenstern in ihrer Wohnung zuzuziehen kann. "Viele Menschen mit Beeinträchtigung suchen individuelle Lösungen, die ihnen helfen und nicht zu teuer sind", sagt sie. So kam sie auf die Idee, Studenten und Beeinträchtigte zusammenzubringen, damit diese individuelle Lösungen entwickeln und herstellen, was sie am Freitag und Samstag beim ersten Innovationstag "Help Camp" in der Kamp-Lintforter Hochschule machten.

Als Mitarbeiterin der Düsseldorfer Unternehmens- und Kommunikationsberatung Matrix hatte sie bereits Kontakt zur Hochschule Rhein-Waal gehabt, weil beide in die Initiative "Zukunft durch Innovation" eingebunden sind, die bei Jugendlichen Interesse an Naturwissenschaften wecken soll, zum Beispiel mit einem Roboterwettbewerb. Zusammen mit Matrix-Mitarbeiter Niels Lichtenthäler, Hochschulmitarbeiterin Adriana Cabrera und Professor Karsten Nebe arbeitete sie ein Konzept aus, um es im Dezember 2016 im Ministerium für Bildung und Forschung in Berlin vorzustellen. Da zeigte sie auch eine Orthese, einen künstlichen Unterarm mit Hand, der über Sensoren am Bizeps zu steuern ist und im Fabrikationslaboratorium der Hochschule hergestellt wurde.

Das Projekt erhielt eine Förderung, weil das Forschungsministerium mit Impulsen für kleinere und mittlere Unternehmen rechnet. Im Dezember 2016 trafen sich 60 Menschen mit Beeinträchtigungen und Studenten zu einem "Bar Camp" in Dortmund, wo sie sich austauschten. "Ein Entwickler weiß erst einmal nicht, was ein User will", hat Karsten Nebe beobachtet. "Ein User kann seine Idee und seine Kreativität in den Prozess geben." Die "Bar Camper" bildeten kleine Gruppen, kommunizierten in den letzten beiden Monaten über Internet sowie Telefon und bereiteten erste Ansätze vor.

Am Samstag und Sonntag arbeiteten sie diese im "FabLab" in Workshops aus. Parallel dazu programmierten und entwarfen sie beim Hackathon Baugruppen am Computer, die sie teilweise an 3-D-Druckern direkt herstellten. Zum Abschluss präsentierten sie ihre Ergebnisse. Zum Beispiel hatte Ex-Student Kai Gau, der heute im Sanitätsunternehmen Hodey in Kamp-Lintfort arbeitet, die Idee gehabt, an einem Rollstuhl einen schwenkbaren Arm zu installieren. Dieser kann eine Tasche aufnehmen, die greifbar ist, und beim Fahren nach hinten zu klappen ist. Karsten Nebe arbeitete an einer Beleuchtung mit, die die Fläche unter einem Rollstuhl wechselnd illuminiert, um diesen individueller aussehen zu lassen. Oder Cinderella Glücklich erhielt über einen 3-D-Drucker einen Druckschalter, über den sie Gardinen zuziehen und öffnen lassen will. "Der hat nur fünf Euro in der Herstellung gekostet", freute sie sich. "Vergleichbare Schalter im Handel kosten 50 Euro."

(got)
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