Kamp-Lintfort/Kleve Schüler filmen eine bittere "Happy Story"

Kamp-Lintfort/Kleve · Victor Boldt und Lukas Ewert haben die Lebensgeschichte von Eva Weyl dokumentiert, die den Nationalsozialismus im Lager Westerbork bei Groningen überlebte.

 Eva Weyl besuchte gestern das Georg-Forster-Gymnasium, um über die Zeit des Nationalsozialismus zu berichten.

Eva Weyl besuchte gestern das Georg-Forster-Gymnasium, um über die Zeit des Nationalsozialismus zu berichten.

Foto: Christoph Reichwein

Eva Weyl bezeichnet ihre Lebensgeschichte als "Happy Story". Dabei hätte diese "glückliche Geschichte" schon vor ihrem neunten Geburtstag enden können. "Unsere Familie lebte im Durchgangslager Westerbork bei Groningen", erzählt die 81-Jährige Amsterdamerin, deren Eltern und Großeltern Klever waren. "105.000 Menschen lebten dort, 5000 überlebten." Ihre Lebensgeschichte trägt sie 70 oder 80 Mal im Jahr vor, meistens älteren Schülern in Deutschland. "Ich erzähle über mein Glück, mein Glück, überlebt zu haben", sagt sie. Ihr Lächeln bewegt die Zuhörer, so auch Victor Boldt, weil es aller Bitterkeit trotzt.

Der Schüler des Georg-Forster-Gymnasiums hörte ihre Geschichte vor einem Jahr zum ersten Mal. Am 27. Januar sprach sie zum Holocaustgedenktag im Kamp-Lintforter Gymnasium, da sie zu den wenigen gehört, die den nationalsozialistischen Genozid überlebten und heute noch erzählen kann. "Schon während der Erzählung hatte ich die Idee, ihr Leben zu dokumentieren", erinnert sich der heute 18-jährige Kamp-Lintforter. Er schrieb sie an. "Ich dachte, er ist ein Erwachsener, ein Lehrer, der mein Leben festhalten will", sagt Eva Weyl. "Wenn ich gewusst, dass es ein Schüler ist, hätte ich vielleicht nicht Ja gesagt." Aber sie sagte Ja. So traf sich Victor Boldt mit ihr in Amsterdam, wo die gebürtige Arnheimerin heute lebt. Begleitet wurde er von seinem Freund Lukas Ewert, der sich um Kamera und Technik kümmert.

"Meine Eltern haben früh die Entwicklung gesehen", sagt Eva Weyl. "Ab 1933 hieß es: ,Kauft nicht bei Juden.'" Sie berichtet, wie Hans Weyl und Margot Wolf nach Arnheim emigrierten und wie ihre Mutter den Besitz der Familie, einige Diamanten, in die Knöpfe ihres Mantels einarbeitete, wo sie von den bewachenden SS-Männern nicht gefunden wurden. Sie berichtet von der Scheinwelt, die Lagerleiter Albert Konrad Gemmeker aufbaute, in der die Erwachsenen Theater, Kabarett und Fußball spielten, bevor sie in die Vernichtungslager Ausschwitz oder Theresienstadt transportiert wurden. Im April 1945 wurde das Lager Westerbork von kanadischen Soldaten befreit. "Heute gibt es noch zwei Überlebende, die ihre Geschichte erzählen", berichtet die Überlebende. Victor Boldt geht davon aus, dass sein Film über Eva Weyl Ende 2018 fertig ist.

(got)
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