Kamp-Lintfort So herzlich ist das Ruhrgebiets-Theater

Kamp-Lintfort · Das Theater Freudenhaus in Essen gastierte im Rahmen des Kamper Freilichttheaters mit dem Stück "Heimatsschwindler" vor klösterlicher Kulisse. Das Publikum erlebte ein amüsantes Ruhrpott-Theater.

 Ruhrgebiets-Humor: Die drei Damen möchten gerne die Schickeria-Schwester aus München wieder loswerden.

Ruhrgebiets-Humor: Die drei Damen möchten gerne die Schickeria-Schwester aus München wieder loswerden.

Foto: Klaus Dieker

"Herzlichkeit, Ehrlichkeit und Gastfreundschaft. Das ist das Ruhgebiet." Karin ist etwas flippig, aber auf den Ruhrpott lässt sie nichts kommen. Sabine denkt zwar ebenso, doch sie hat ein Dilemma. Ihre große Schwester, die sich vor zehn Jahren mit einem Riesentamtam zu einem tollen Typen nach München abgesetzt hat, will zu Besuch kommen. Sabine hat nun Angst, dass sie dabei ihren Anteil an dem kleinen, geerbten Bergarbeiterhäuschen verlangen wird, in dem Sabine seit sechseinhalb Jahren mit ihren beiden Lehrerkolleginnen Karin und Nuran, zusammen wohnt. Das ist die Ausgangsgeschichte.

Was die Drei darauf hin alles anstellen, um die bayrische Schwester so schnell wie möglich wieder loszuwerden, zeigte unter dem Titel "Heimatsschwindler" eine Aufführung des Essener Theaters "Freudenhaus" beim Freilichtfestival auf dem Kamper Klostervorplatz. Wie aber sagt man einer vor zehn Jahren aus dem Revier entflohenen Schickeria-Münchnerin, dass sie unwillkommen ist? Am besten mit einem Szenario, das sämtliche Vorurteile über den heutigen Ruhrpott als Heimat von unzähligen Tätowierern, Nagelstudios und Discountläden geschickt bedient. Und so verwandeln die drei Lehrerinnen unter der Federführung von Schwester Sabine zuerst ihr eigentlich recht idyllisches Bergarbeiterhäuschen in eine unappetitliche Müllhalde und dann sich selber in drei vermeintliche Ruhrgebietspomeranzen.

Dabei wird aus Sabine, trotz ihres Germanistikstudiums eine wilde Verwechslerin sämtlicher grammatikalischer Fälle, und aus Karin, die eigentlich textiles Gestalten und Theologie unterrichtet, eine arbeitslose Nageldesignerin, die soeben von ihrem tätowierenden Geliebten verlassen worden ist. Am schlimmsten aber trifft es die türkisch stämmige Nuran. Obwohl in zweiter Generation in Deutschland zuhause, soll sie auf Sabines Geheiß hin zunächst ein Kopftuch tragen, darf dann aber schließlich nach einigen Protesten auf den alten, bunt-violetten Ballonseidenanzug von Sabines verstorbenen Großvater ausweichen. So viel Abschreckung dürfte die bayrische Schwester sofort nach München zurückkehren lassen, denken die Drei, doch genau das Gegenteil ist der Fall.

"Endlich dahoam! Schön habt er's hier" verkündet die unwillkommene Besucherin gleich nach ihrer Ankunft. "Ich würde gerne hierbleiben. Hier ist alles so voller Erinnerungen." Sabine ist entsetzt, doch ihre beiden Mitbewohnerinnen finden die "schreckliche Münchnerin" nach einem Bierabend "eigentlich ganz nett", vor allem nachdem sich herausstellt, dass ihr smarter Münchener von damals mit einer anderen "quietscht". Auch die drei Ruhrgebietlerinnen haben in partnerschaftlicher Hinsicht manch ähnliche Päckchen zu tragen, und so wird nach vielen Turbulenzen aus der Dreierwohngemeinschaft in dem Zechenhäuschen doch noch ein wunderbares Viererteam.

(lang)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort