Kamp-Lintfort SPD: Wir können uns den Turm leisten

Kamp-Lintfort · Rat diskutiert Gutachten zum Erhalt des Zechenturms. Kritiker befürchten, dass hohe Kosten auf die Kamp-Lintforter zukommen.

 Das Bergwerksgelände mit dem Mitte der 1950er Jahre erbauten, 80 Meter hohen Zechenturm im Jahr 2015.

Das Bergwerksgelände mit dem Mitte der 1950er Jahre erbauten, 80 Meter hohen Zechenturm im Jahr 2015.

Foto: Reichwein (archiv)

Am 24. September, dem Tag der Bundestagswahl (oder schon vorher per Briefpost ans Wahlamt) dürfen die Kamp-Lintforter darüber abstimmen, ob der Zechenturm des ehemaligen Bergwerks West über die Landesgartenschau 2020 hinaus erhalten werden soll. Die Entscheidung wird dann der Rat im Oktober fällen. Geht es nach der SPD, wird sie wohl zugunsten des Turms ausfallen. "Wir können uns das Ding leisten", sagte gestern Jürgen Preuß, Vorsitzender der Mehrheitsfraktion im Rat, wo ein Gutachten über die Kosten des Turm-Erhalts diskutiert wurde. "Wir wollen den Bürgern raten, dem Erhalt zuzustimmen."

Rund 1,2 Millionen Euro kostet die Sanierung Bauwerks, weitere 1,3 Millionen werden für die Nutzbarmachung als Aussichtsturm fällig; unter anderem soll ein "Express-Aufzug" eingebaut werden, außerdem sind zum Beispiel brandschutztechnische Vorkehrungen zu treffen. 1,9 Millionen Euro erwartet die Stadt an Fördermitteln, eine Million will die RAG zuschießen, die sonst dieses Geld für den Abriss des Bauwerks ausgeben müsste. Bleibt unterm Strich ein Plus in Höhe von gut 400.000 Euro, aus dem die Stadt die laufenden Kosten für den Turm (Wartung, Versicherung, Strom etc.) bestreiten will - rund 32.000 Euro pro Jahr. Auf diese Weise würde der Haushalt erst ab 2033 durch den Turm belastet, und zwar mit einer Summe, die lediglich 0,6 Prozent des gegenwärtigen Aufwands für die Gebäudeunterhaltung ausmache, rechnete Kämmerer Martin Notthoff vor. Der Erhalt des Turms sei eine "günstige Gelegenheit", sagte er. "Ich empfehle, sie zu nutzen. Das hat was, von da oben runter zu gucken."

Insbesondere Grüne und CDU zeigten sich allerdings äußerst skeptisch und sahen ein unkalkulierbares Risiko auf die Stadt zukommen. Nach dem Studium des Gutachtens hätten sich "mehr Fragen als Antworten" ergeben, sagte Johannes Tuschen (Grüne). Seine Fraktion will bis zur entscheidenden Ratssitzung im Oktober einen umfangreichen Fragenkatalog zusammenstellen und der Verwaltung vorlegen.

Simon Lisken (CDU) kritisierte, dass die Gutachter eine "Minimallösung" berechnet hätten. Eventuelle Kostensteigerungen seien ebenso nicht berücksichtigt worden wie mögliche Personalkosten. Die Stadtverwaltung geht davon aus, dass Mitglieder der Fördergemeinschaft für Bergmannstradition den Turmbettrieb nach der Landesgartenschau ehrenamtlich sicherstellen; der Verein habe dies zugesagt, erklärte gestern Bürgermeister Christoph Landscheidt. Den Einwand, dass die Vereinsmitglieder im Schnitt über 70 Jahre alt seien, erwiderte er lakonisch: "Wir gehen nicht davon aus, dass die nach 2020 alle ausgestorben sind."

Die Kritiker störten sich auch daran, dass die Verwaltung lediglich die in der Tat relativ geringen laufenden Kosten für den Turm in Anschlag bringt, aber in der Zukunft drohende weit höhere Kosten ignoriere. So gaben die Gutachter an, dass das Dach des Zechenturms noch 15 Jahre nutzbar sei, die Blechfassade (das sind die roten Streifen zwischen den Betonteilen noch 20 bis 25 Jahre. Was kommt danach? Wie teuer werden die dann notwendigen Reparaturen oder Erneuerungen? Fragen, bei denen die Verwaltungsspitze ascheinend ein bisschen das Prinzip Hoffnung walten lässt. Nach 25 Jahren werde eben zu überprüfen sein, was gemacht werden müsse, meinte Notthoff. Vielleicht reiche es dann ja aus, nur Teile des Blechs zu erneuern. "Bei jeder Maßnahme, die wir machen, gibt es ein Kann und Würde", sagte Notthoff an die Adresse der Skeptiker.

Heute Abend, 19 Uhr, will die Stadt Bürger in der Stadthalle über das Für und Wider des Turmerhalts informieren. "Sie müssen klarmachen, dass jeder Kamp-Lintforter ein Stückchen Eigentümer des Turms wird, mit allen Risiken der Zukunft", forderte Ratsmitglied Heinz-Peter Ribbrock (fraktionslos) gestern den Bürgermeister auf. Es gehe letztendlich um die Verwendung von Steuergeldern und mögliche Belastungen für die kommenden Generationen von Kamp-Lintfortern.

(RP)
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