Kamp-Lintfort Wilfried teilt kräftig aus

Kamp-Lintfort · Kabarettist Wilfried Schmickler sorgte mit seinem Programm "Das Letzte" in der Kamp-Lintfort Stadthalle für gute Unterhaltung.

 RP-AF: ikn

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Foto: Knappe Jörg

Kaum hat der Kölner Kabarettist Wilfried Schmickler die Bühne betreten, teilt er aus. Das politische Tagesgeschäft in Berlin bietet genügend Angriffsfläche. Abgewatscht werden im Vorübergehen FDP wie AfD, Dobrindt ist der Dr. Mabuse der CSU.

Aber auch das Gespann Nahles und Scholz ist Schmickler die intensive Betrachtung wert. Ein so genanntes verbales warm-up, bevor es so richtig losgeht. Manches ist zunächst noch gespickt mit männlichen Sentimentalitäten. Schmickler guckt seine Lieblingskrimi-Serie "Der Alte" nicht mehr, "seitdem der Alte jünger ist als ich."

Zwei Stunden lang unterhält Schmickler in bewährter wortgewaltigen Manier, bietet Dialoge im Eiligst-Modus, liest aus seinem Tagebuch als Gratwanderer oder singt für "friends und follower" über das, was die Welt so rau macht. Der Grundtenor wird schnell klar: Haltet die Welt an, sie dreht sich zu schnell. Die Zeiten der zehn Gebote und der Otto-Kataloge ist unwiederbringlich vorbei.

Die Maßlosigkeit in Sachen Konsum in der zunehmend digitalen Welt bereitet ihm Sorgen. Im Netz wird bestellt, zuhause für die Party angezogen und dann zurückgeschickt. Geshoppt wird online, keiner geht mehr raus, nur die Paketzusteller sind unterwegs.

Die Ära der virtuellen Animation per Netz hat begonnen, der keiner nachkommt. Die eigene Freiheit wird zur Rechenaufgabe, die Seele zum Algorithmus. "Stimulation durch Simulation", so die neue Parole.

Schmickler ist die verbale Axt, die zuhaut, immer in die gleiche Kerbe, in der sich menschliche Gedankenlosigkeit, Habgier und Neid angesiedelt haben.

Das Letzte, eben, gekrönt vom Allerletzten, dem Menschen. Dem Kulturpessimisten Schmickler schmeckt es nicht, er warnt eindringlich vor den Fallstricken und nennt eine der Kehrseite der Medaille: Der Mensch bewegt sich zu wenig.

Schmickler verpasst sich daher ein tägliches 10.000-Schritte-Programm und trabt die letzten Schritte auf der Bühne. Besser als über die neue Uhr eine SMS zu erhalten mit der "Spiel-mit-das-Lied-vom-Tod"-Melodie, findet der Raucher Schmickler. Er sieht ganz deutliche Vorzeichen. Das Abendland wird untergehen, wenn weiterhin der globale Wettbewerb grassiert. Auch wegen einer galoppierenden Islamisierung, die andere aus der Politclownerie lauthals beklagen.

Um den Beweis anzutreten hat er sogar in seinem Viertel Bürgerkunde betrieben. Alles ohne Erfolg. "Gehen Sie doch auf die nächste Brache und bauen ein bisschen Spitzkohl und Wirsing an oder ein paar Marihuana-Pflanzen", so sein Tipp. Schließlich ist der Mensch das, was er isst. "Wir fressen den Planeten leer, dann haben wir wieder Platz", so das Fazit.

Manches bleibt im Halse stecken, anderes sorgt für Lacher beim Publikum. Wilfried Schmickler, bekennender später 68-er und vielen über "Mitternachtsspitzen" bekannt, versteht sich auf die hohe Kunst des literarischen wie politischen Kabaretts.

Als kritischer Beobachter der vordigitalen und digitalen Zeit hat sein kabarettistisches Wort eben doppeltes Gewicht.

(sabi)
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