Gemeinde Grefrath Als Johannes Brahms Mülhausen besuchte

Gemeinde Grefrath · Der Komponist war im Januar 1885 dort und speiste mit einer Gruppe von rund 20 Leuten im Drinckhof. Heimatforscher Alfred Knorr erinnert an diesen kalten Wintertag.

Heutzutage weiß kaum mehr jemand, dass der Komponist Johannes Brahms einst Mülhausen, seinerzeit Ortsteil der selbstständigen Gemeinde Oedt, besucht hat. In späteren Briefen kam er immer wieder auf diese Landpartie zurück. Der Mülhausener Heimatforscher Alfred Knorr hat sich das Themas angenommen und seine detaillierten Erkenntnisse im aktuellen Heimatbuch des Kreises Viersen veröffentlicht.

Brahms war zu Beginn des Jahres 1885 zu Besuch bei Bekannten in Krefeld. Er hatte, fand Knorr heraus, ein Faible für das romantische Rheinland und für das gute Essen bei den damals sehr beliebten Landpartien. Am 29. Januar, einem kalten und sonnigen Wintertag fuhr Brahms mit einer rund 20-köpfigen Gesellschaft, meist Künstler, mit dem Zug von Kempen nach Grefrath. Zu Fuß ging es weiter nach Mülhausen, der dortige Haltepunkt wurde erst 1895 eröffnet. Knorr fand bei seinem Studium der historischen Quellen die Erinnerungen einer Teilnehmerin. Darin heißt es unter anderem: "Der Meister war ein großer Naturfreund. Es war kostbar zu sehen, wie der kleine gedrungene Köper, mit dem schönen kräftigen Kopf, auf den kurzen Beinen, dessen Hosen meist zu kurz waren, losstapfte. Er schien sich äußerst wohl zu fühlen und sah kostbar aus mit seinen geröteten Backen."

Ziel war der Drinckhof, ein gut besuchtes Bauernwirtshaus, wo ein Mittagesssen bestellt war. Lebhaft plaudernd, schreibt Knorr, zog die fröhliche Gesellschaft über die mit Bäumen bepflanzte Landstraße. An der alten Niersbrücke bog die Schar nach links in das Dorf ein. Knorr zitiert weiter aus Erinnerungen: "Auf der Dorfstraße spielten Kinder, die von Brahms zärtlich gestreichelt und mit Zuckerbonbons beglückt wurden, die er aus der Tasche seines Rocks hervorzauberte." Schließlich erreichte die Gruppe den Drinckhof, der vor allem für seine Fischkuchen (kleine Fische in Pfannkuchenteig) und seinen Korinthenweck (Rosinenbrot) bekannt war. Knorr fand Aufzeichnungen des Teilnehmers Alwin von Beckerath, der die Szene unter anderem wie folgt beschreibt: "Der Innenhof zwischen den Gebäuden öffnete sich alsbald zur Niers, wo die musikfreundliche Gesellschaft sich etwas belustigte. Auf dem Hof empfing der Wirt, Herr Jennekes, die fröhliche Gruppe mit dem üblichen Serviettenschwenken." Dieser Herr Jennecke, schrieb von Beckerath weiter, habe nicht geglaubt, dass der nach einer Kahnpartie völlig zerzauste Brahms wirklich der bekannte Komponist war. "Wenn das der berühmte Brahms ist, bin ich Beethoven", soll er gesagt haben. Als der gut gelaunte Brahms der Tochter des Wirts zum Abschied einen Taler Trinkgeld in die Hand drückte, war er eines Besseren belehrt und sprach nach Ende des musikalischen Besuchs: "So'n berühmter Komponist und doch so schlicht und einfach und gar nicht ein bißchen hochmütig." Das von Frau Jennekes zubereitete Essen hat Brahms übrigens vorzüglich geschmeckt. Die Krefelder wüssten halt, was gut sei. Der Komponist, schildert Knorr, aß und trank sehr gern, war Freund und Kenner guten Weins. Mittags trank er stets ein Glas Bier, danach ein Glas Wein. Auf dem Drinckhof war der Kreis nach einer ausgiebigen Mahlzeit und einem kleinen Nickerchen bester Laune, griff zu Liederbüchern und begann zu singen. Daran habe sich, schreibt Knorr, Brahms in späteren Jahren immer wieder gern erinnert. "Wer in den Archiven und Bibliotheken nach Belegen zu weiteren Reisen zum Mülhausener Drinckhof sucht, wird enttäuscht. Wahrscheinlich hat es nur diese eine Reise gegeben", schreibt der Mülhausener Heimatforscher. In Krefeld und Umgebung sei Brahms, der damals in Düsseldorf lebte, mit Freunden oft unterwegs gewesen.

Der Drinckhof war von 1717 bis 1904 eine Gaststätte. Als die Niers zusehens verschlammte, blieben die Gäste aus. Er diente den "Schwestern Unsere Lieben Frau" noch mehr als 100 Jahre als Erholungs- und Altenheim. Alfred Knorr meint: "Es wäre angemessen, dort eine Stele zu errichten oder an der Wand, in der der originäre Torblaken des 2010 abgerissenen Drinckhofs eingelassen ist, eine Erinnerungsplakette anzubringen."

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort